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Archiv-Artikel

Westfälischer Frieden

Mehr Ökumene soll den Kirchen in Westfalen-Lippe beim Sparen helfen

Ökumenische Gemeindehäuser sind bisher noch eine Seltenheit

VON NATALIE WIESMANN

Gemeinsam beten, feiern und arbeiten: Protestantische und katholische Gemeinden in Westfalen-Lippe sollen nach dem Willen ihrer Oberhäupter näher zusammenrücken. Grundlage ist eine neue Leitlinie, die der Präses der Evangelischen Kirche in Westfalen, Alfred Buß, der Landessuperintendent der Lippischen Kirche, Martin Dutzmann sowie der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker und der Bischof von Münster, Reinhard Lettmann, Anfang der Woche unterschrieben haben. Kirchengemeinden sollen jetzt Kooperationsverträge schließen können. „Nicht das gemeinsame Handeln muss begründet und gerechtfertigt werden, sondern das getrennte“, heißt es in dem Text. Als praktische Beispiele für die Zusammenarbeit werden regelmäßige ökumenische Gottesdienste genannt, „Ehevorbereitungskurse“, Feste und soziale Arbeit sowie Besuchsdienste, ökumenische „Tafeln“ oder verbindliche Absprachen in kommunalen Anliegen bei Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern.

Die Motivation für die Annäherung der Protestanten und Katholiken ist offensichtlich: Durch Kirchensteuereinnahmen und Austritte stehen beide Kirchen unter starkem Sparzwang. Allein die Evangelische Kirche in Westfalen verlor zwischen 1999 und 2003 jedes Jahr rund 10.000 Gläubige. „Bevor wir Personal abbauen müssen, nutzen wir lieber Gebäude gemeinsam“, sagt Ägidius Engel, Sprecher des Erzbistums Paderborn. Das können unter anderem Kirchen, Gemeindehäuser oder Schulen sein. Außerdem könnte, so hofft man, die Annäherung der Kirchen zu einer größeren Attraktivität des Glaubens in der Bevölkerung führen. Von einer Verschmelzung sei man aber weit weg: „Beide Kirchen sind jede für sich attraktiv“, so Engel. Protestanten und Katholiken würden auch in Zukunft ihr eigenes Profil bewahren.

Die Katholiken sollen also nicht dazu gezwungen werden, evangelische Pfarrerin als Vorbeterin zu akzeptieren. Wenn Kirchen gemeinsam genutzt werden, dann in der Regel in getrennten Gottesdiensten. Aber: „Katholiken sind in unserem Gottesdienst immer willkommen“, sagt Andreas Duderstedt, Sprecher der Evangelischen Kirche in Westfalen. „Auf der anderen Seite wird das ein bisschen schwieriger“ – denn die katholische Kirche ist bisher nicht bereit, ihr Abendmahl mit den Protestanten zu teilen. Abgesehen davon seien die Gemeinsamkeiten so groß, so Duderstedt, dass es für eine gemeinsame Basis reiche.

Seit bereits drei Jahrzehnten gibt es Bestrebungen der vier Kirchen in Westfalen-Lippe, die Ökumene vor Ort zu stärken. Ein ökumenisches Gemeindehaus, wie es zum Beispiel in Hagen seit 20 Jahren, bleibt eine Seltenheit. Die neue Leitlinie soll jetzt den Gemeinden einen Rückhalt geben, die schon lange zusammenarbeiten und gleichzeitig als „Motor“ für andere wirken, die noch weit davon weg sind. „Es gibt da unglaubliche Phänomene der Annäherung“, sagt Martin Wißmann, Sprecher des Bistums Münster. In Moers beispielsweise spielten protestantische Musiker bei erzkatholischen Fronleichnams-Prozessionen Posaune.

Für diese Art der Ökumene benötigten die Kirchen aber keine Leitlinie, sagt Jürgen Klute, evangelischer Sozialpfarrer im Kirchenkreis Herne. „Die Kirchen bereiten sich vielmehr auf die Europäische Dienstleistungspolitik vor“, so der Kandidat der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG).“ Denn zukünftig sollen sich auch soziale Dienste sich am Markt orientieren und nur noch dann überleben können, wenn sie qualitativ und vor allem preisgünstig sind. Wenn Sozialarbeiter und pflegerische Dienste beider Konfessionen heute schon zusammenarbeiteten, hätten sie eine größere Chance, so Klute.