Warum wackelt die Wende?

ENERGIE Ob Ökostrom oder Atommüll: Die Bundesregierung ist mit großen Plänen gestartet. Doch nun stocken die zentralen Projekte. Ist ein Konsens noch möglich? Oder sind Partei- und Lobbyinteressen am Ende stärker?

VON MALTE KREUTZFELDT

Es schien das Ende eines langen Kampfes zu sein: Nach der Katastrophe von Fukushima vor zwei Jahren hat sich auch die schwarz-gelbe Bundesregierung von der Atomkraft verabschiedet. Der Ausbau der erneuerbaren Energien – vor allem Wind und Sonne – und ein Neustart der Suche nach einem Atommüll-Endlager stehen seitdem bei Union und FDP weit oben auf der Agenda.

Peter Altmaier, der dem glücklosen Norbert Röttgen als Umweltminister folgte, weckte zu Beginn seiner Amtszeit vor knapp einem Jahr große Hoffnungen: Dem jovialen und kommunikativen Saarländer, der schon vor 20 Jahren in der sogenannten Pizza-Connection für eine schwarz-grüne Annäherung kämpfte und als enger Vertrauter der Kanzlerin galt, wurde allgemein zugetraut, den neuen Kurs in den Regierungsfraktionen durchzusetzen.

Die Hoffnung weicht der Ernüchterung

Doch mittlerweile herrscht bei vielen Beobachtern Ernüchterung. Statt über die Chancen der Energiewende wird fast nur noch über die Kosten und Probleme diskutiert. Weil steigende Strompreise seiner Ansicht nach die Akzeptanz der Energiewende gefährden, profiliert sich Altmaier im Jahr der Bundestagswahl vor allem als Vorkämpfer für Kostensenkungen. Mit massiven Einschnitten und rückwirkenden Kürzungen verunsichert er Investoren und bringt die Opposition gegen sich auf, während der FDP die Einschnitte nicht weit genug gehen. Gleichzeitig wehrt sich die Industrie gegen jede neue Belastung, und BürgerInnen protestieren vielerorts gegen neue Stromtrassen, Windräder und Biogasanlagen.

Und beim Endlager-Gesetz, wo eine Einigung von Regierung und Opposition, Bund und Ländern schon unmittelbar bevorzustehen schien, ist ein Gesetz wieder in weite Ferne gerückt. Denn die neue rot-grüne Landesregierung aus Niedersachsen hat entscheidende Punkte wieder infrage gestellt. Sie besteht auf dem Ausschluss des Standortes Gorleben und einer besseren Einbindung der Zivilgesellschaft – Forderungen, die auch die aus der Region Gorleben stammende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, schon lange erhebt.

Immer stärker stellt sich darum die Frage, ob die Politik überhaupt in der Lage ist, große gesellschaftliche Probleme zu lösen, die eine langfristige Perspektive und damit einen parteiübergreifenden Konsens erfordern. Oder ob der Einfluss von Lobby-Gruppen und wahltaktische Überlegungen am Ende stärker sind als das Festhalten an Zielen, die als richtig erkannt wurden.

Mehr Aktzeptanz durch mehr Mitsprache

Weil diese Fragen die taz und viele ihrer Leser beschäftigen, sollen sie auch beim taz.lab diskutiert werden. Nicht nur mit zwei zentralen Akteuren aus Regierung und Opposition, sondern auch mit einem Experten, der die Bundesregierung ebenso berät wie außerparlamentarische Gruppen: Der Politologe Claus Leggewie hat zusammen mit anderen Wissenschaftlern konkrete Vorschläge entwickelt, wie Bürger in wichtige Großprojekte einbezogen werden sollten. Um der Dominanz von Wirtschaftsinteressen etwas entgegenzusetzen, sollen sie frühzeitig und wiederholt befragt werden, dann aber im Gegenzug die gefundenen Lösungen auch akzeptieren. Solche gründlichen Erörterungen, so Leggewie, bewirkten letztlich „schnellere Entscheidungen, mehr Konsens und höhere Nachhaltigkeit“.

■ Ob und wie die Politik die Energiewende noch schaffen kann, darüber diskutiert taz-Redakteur Malte Kreutzfeldt beim taz.lab mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), der niedersächsischen Europaabgeordneten Rebecca Harms (Grüne) und dem Politikwissenschaftler Claus Leggewie.