: Begriffliche Arschgeweihe
WORTMÜLL Sprache lebt, deswegen verschwinden Begriffe, die nicht mehr benutzt werden, aus dem Alltag. Neue Wörter kommen hinzu
Wenn Bodo Mrozek Wörtern wie „knorke“ oder „angraben“ begegnet, spricht er gern von begrifflichen Arschgeweihen. So bezeichnet der Journalist und Autor des „Lexikons der bedrohten Wörter“ Modeerscheinungen in unserem Wortschatz. Sie tauchen in der Alltagssprache auf und werden eine Zeit lang intensiv genutzt, bevor sie dann wieder verschwinden.
„Anders ist es zum Beispiel bei ‚Labsal‘. Nicht nur wegen der wiederholenden Vokale ist das ein sehr schönes Wort. Heute würde man wohl eher Wellness sagen“, meint der studierte Historiker und Literaturwissenschaftler.
Wenn kein Synonym einen Begriff verdrängt, dann ist mitunter das beschriebene Objekt selbst verloren gegangen. „Wählscheiben“ beispielsweise, „Petroleumlampen“ oder die „Poliklinik“ um die Ecke muss man dann auch nicht mehr bei ihrem Namen nennen.
Genauso können ideologische Gründe hinter dem linguistischen Artensterben stehen, wie erst unlängst bei der Debatte über rassistische Begriffe in Kinderbüchern zu beobachten war.
Der Duden wirbt damit, ständig den Wortschatz zu überarbeiten und neue Wörter aufzunehmen. Dass er mittlerweile nicht meterdick ist, liegt daran, dass „Archaismen“, also veraltete Wörter, in aktualisierten Auflagen nicht mehr erscheinen. Im Gegensatz zum Oxford English Dictionary versteht sich der Duden nicht als dokumentierendes Medium, sondern als Gebrauchswörterbuch.
Weil Sprache lebt, muss niemand trauern, wenn manche Ausdrücke verschwinden. Zum Glück entstehen im Deutschen regelmäßig neue Begriffe, die an Präzision ihre Vorgänger noch übertrumpfen.
Jung zum Beispiel ist die: „Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung“.
KONRAD LIPPERT