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Archiv-Artikel

Macht und Pomade

Das Timing war suboptimal. Am Montagabend hatte Leif Johansson in seiner Rolle als Vorsitzender der Großindustriellen-Lobbygruppe „European Round Table of Industrialists“ einen Termin im Kanzleramt. Er wollte Angela Merkel erzählen, was die Politik auf den Gebieten Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit zusätzlich für die europäischen Industriekonzerne tun könnte.

Zehn Stunden zuvor hatte der schwedische Telekomkonzern Ericsson, dessen Verwaltungsratsvorsitzender Johansson seit zwei Jahren ist, die Entlassung von 1.600 Beschäftigten angekündigt. Das Unternehmen war unprofitabel geworden, weil man die Smartphone-Entwicklung zu lange verschlafen hatte.

Während sich die Erfolgsquote des 61-jährigen Managers also eher als durchwachsen erweist – vor seinem Ericsson-Job hatte er den Lkw-Produzenten Volvo zeitweise in die roten Zahlen gefahren –, hat Johansson jedenfalls einen gefestigten Ruf als „Macher“. Auf der aktuellen Top-100-Liste der „Mächtigsten des Landes“ führt ihn das schwedische Nachrichtenmagazin Fokus als wichtigsten Wirtschaftsboss. Er habe eine „unvergleichbare“ Machtposition.

Die Fokus-Begründung, warum er mächtiger sei als die meisten MinisterInnen und ganze 53 Plätze vor Schwedens Staatsoberhaupt, dem Monarchen, rangiere: Er nutze seine Position, um umfassend gesellschaftlich Einfluss zu nehmen. Außerdem genieße er eine „im feudalen schwedischen Wirtschaftssystem erstaunlich breite Akzeptanz“.

Sicher, die Gewerkschaften tobten, als er im Jahr 2008 die Entlassung von 6.000 Volvo-Beschäftigten ankündigte und gleichzeitig einen saftigen Bonus kassierte.

Doch im Großen und Ganzen trifft die Bewertung des Wirtschaftsmagazins vom „skandalfreien Schwergewicht“ zu. Auch privat. Johansson ist verheiratet, hat fünf Kinder und vier Enkel.

Nur was die Frisur betrifft, klagt der schwedische Soziologe Lars Holmberg, da gebe es einen Ausreißer auf der Positivliste zu vermelden. Denn da rangiere Johansson auf der Negativliste von Machthaberfrisuren ganz oben. Kurzerhand mit Pomade glattgeklatscht. REINHARD WOLFF