: „Kurze und gewohnte Wege“
VORTRAG Wie früh Demenz-Kranke den Führerschein abgeben sollten, ist schwer zu bestimmen
■ 49, ist Internist und Oberarzt der Fachabteilung für Geriatrie im Bremer Krankenhaus St. Joseph-Stift.
taz: Herr Kallerhoff, neben Ihnen und einer Neuropsychologin referiert ein Verkehrsexperte des ADAC. Der plädiert doch ohnehin für das Recht auf Autofahren für alle, oder?
Jürgen Kallerhoff: Natürlich befürwortet er das erst einmal, aber: Deren sogenannter Fahr-Fitness-Check für Senioren ist sehr gewinnbringend. Die Schwelle für alte und dementiell erkrankte Menschen, zum ADAC zu gehen, ist viel niedriger als der Gang zur Behörde, die ja auch das Recht hätte, die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Wie sehr hängen alte Menschen an ihren Autos?
Ein PKW bedeutet Mobilität und hat viel mit Unabhängigkeit und Selbstwertgefühl zu tun. Das sollte man nicht unterschätzen.
Die nachlassende Fahrtauglichkeit vieler alter Menschen aber auch nicht ...
Die meisten Senioren beschränken sich schon auf kurze und gewohnte Wege, aber auch das bedeutet natürlich nicht, dass sie sich selbst oder andere deswegen nicht gefährden könnten. Deshalb sollten sie freiwillig einmal im Jahr einen Fahr-Test machen – leider ist das in Deutschland nicht Pflicht.
Sollten an Demenz erkrankte Menschen nicht besser direkt den Führerschein abgeben, sobald die Diagnose feststeht?
Nicht unbedingt. Forschungsergebnisse sagen, dass Menschen mit leichter Demenz keine höhere Unfallrate haben als zum Beispiel jugendliche Autofahrer.
Wann ist der Punkt erreicht, an dem es zu gefährlich wird?
Das ist leider nicht zu objektivieren, deshalb kann ich immer wieder nur appellieren, sich regelmäßig testen zu lassen. Klar ist nur, dass fortschreitende Demenz mit dem Verlust der Fahreignung einhergeht und hier Eigenverantwortung gefragt ist, die leider manchmal fehlt: Viele Angehörige verstecken die Autoschlüssel oder manipulieren das Auto, damit es fahruntüchtig wird. Demenzielle Erkrankungen sind leider auch oft mit einem Mangel an Einsicht verbunden. INTERVIEW: SCHN
18 Uhr, Schulungszentrum der Physikalischen Therapie im St. Joseph-Stift