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Archiv-Artikel

Hohe Erwartungen an „Wiener Kongress“

Am 1. Januar 2006 übernimmt Österreich für sechs Monate die EU-Präsidentschaft. Oberstes Ziel ist, das Bild Europas zu verbessern sowie moderne und transparente Gesetze auf den Weg zu bringen. Außenpolitischer Schwerpunkt wird der Balkan

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Europas professionelle Politikbegleiter, Journalisten und Lobbyisten stimmten gestern mit den Füßen ab. Die Hanns-Seidel-Stiftung hatte Hans Winkler, Staatssekretär im österreichischen Außenamt, gebeten, die Pläne seines Landes für das Präsidentschaftshalbjahr zu erläutern. Der große Saal war brechend voll, die Stühle reichten nicht für alle.

Am 31. Dezember endet das britische Semester – und die Euro-Profis können es offenbar kaum erwarten. Von Österreich erhoffen sie nach sechsmonatiger Lähmung neue Impulse für Europa. Wann die österreichische Website (www.eu2006.at/info/de) freigeschaltet werde, wurde Winkler gefragt.

„Es ist alles fertig. Wir brauchen nur auf den grünen Knopf zu drücken“, antwortete der Chefdiplomat, um dann daran zu erinnern, dass noch die Briten die Webmaster seien. Deshalb wollte er auch die geplante österreichische Strategie zu den Finanzverhandlungen nicht verraten. „Man muss davon ausgehen, dass es der britischen Präsidentschaft nächste Woche gelingt, eine Einigung zu erzielen.“

Auch dann bleibe für sein Land genug Arbeit übrig: 40 Rechtsakte seien nötig, um den Finanzplan in Haushaltslinien zu gießen. 40 Ministertreffen mit Drittstaaten, 2.000 Expertenrunden, dazu Gipfel mit den USA, Japan, Kanada und Russland muss Wien in sechs Monaten meistern. Zehn Ministertreffen sind mit Politikern der Balkanregion geplant, die Österreich besonders im Blick hat. Dort wird der außenpolitische Schwerpunkt liegen. Afrika, das Großbritannien stärker ins Spiel gebracht hatte, erhält in der EU einen geringeren Stellenwert.

Der CSU-Europaabgeordnete Joachim Würmeling nutzte seinen letzten Auftritt als Parlamentarier, um den Österreichern ins Gewissen zu reden: Die Nationalratswahlen im Herbst 2006 dürften nicht dazu führen, dass Wien umstrittene Projekte wie die Dienstleistungsrichtlinie auf die lange Bank schiebe. Diese müsse grundlegend von der EU-Kommission überarbeitet werden, betonte Winkler. Erst dann könne der Rat im zweiten Halbjahr 2006 unter finnischer Präsidentschaft eine Stellungnahme abgeben. Dem widersprach Würmeling: Im Januar oder Februar werde das Parlament abstimmen. Dann sei der Rat am Zug.

Einen erfolgreichen „Wiener Kongress“ wünschte sich Würmeling in Anspielung darauf, dass die Österreicher 70 Ratstreffen in der Wiener Hofburg über die Bühne bringen wollen. Hans Winkler konterte, noch heute erinnerten fünf Türen im Saal der Hofburg daran, dass hier fünf Mächte unter Ausschluss der Öffentlichkeit Europa neu geordnet hätten. An den Heizungsrohren im Stockwerk darüber hätten Metternichs Spitzel gelauscht.

Die österreichische Präsidentschaft strebe einen anderen Stil an. Oberstes Ziel sei, das Bild Europas zu verbessern und eine transparente, moderne Gesetzgebung für die Bürger auf den Weg zu bringen. Die Rahmenbedingungen sind günstig. Es dürfte nicht schwer sein, die britische Bilanz zu übertreffen.