: Klagen statt appellieren
BEHINDERTE Barrierefreie Kneipen bleiben selten. Die Wirte sind zurückhaltend, das Wirtschaftsressort zögerlich, die Kontrollen im Bauressort wohl auch. Jetzt sollen die Gerichte der Betroffenen helfen
Es gibt in Bremen wenig barrierefreie Gaststätten. Und das wird vorerst wohl auch so bleiben – wiewohl die Rechtslage anderes vorsieht. Der Grünen-Politiker Horst Frehe – er sitzt selbst im Rollstuhl – fordert deshalb nun die Behindertenverbände auf, „musterhaft“ von ihrem Verbandsklagerecht Gebrauch zu machen. „Es kann nicht nur um Appelle gehen.“
Auslöser der aktuelle Debatte, die am Montag im Beirat Mitte fortgesetzt wurde, ist eine Untersuchung von ZwölftklässerInnen der Gesamtschule Ost. Demzufolge haben von 26 Gaststätten in Bremen, die barrierefrei sein müssten, nur zwei dieses Prädikat tatsächlich verdient, mindestens die Hälfte jedoch auf gar keinen Fall. An der Schlachte gebe es nur eine Kneipe, die rollstuhlgerecht sei – die „Bar Celona“.
Zwar verwiesen die Schlachte-Wirte auf Nachfrage der SchülerInnen auf zwei weitere geeignete Lokalitäten auf der Meile – doch zu unrecht, wie sich bei einer Ortsbegehung herausstellte. Und dann gibt es beispielsweise eine Cocktail-Kneipe wie das „Enchilada“: Die hat zwar eine barrierefreie Toilette und sich auch mit dem Prädikat geschmückt. Doch angesichts von Treppen ist diese Örtlichkeit für RollstuhlfahrerInnen gar nicht zu erreichen. Immerhin: Ende Januar treffen Schlachte-Gastronomen zusammen, um Fälle wie diesen zu besprechen. Anfang März wollen sie sich öffentlich äußern. Doch schon jetzt machen sie Vorbehalte geltend: Die Kosten für einen Treppenlift im „Enchilada“ etwa werden auf 15.000 Euro beziffert.
Und auch das Wirtschaftsressort reagierte zurückhaltend: Man müsse „bei den Realitäten bleiben“, sagte dessen Vertreterin Christel Lübben am Montag. Und die hießen: „Wir können nicht jeden Betrieb umrüsten.“ Das sei angesichts der alten Bausubstanz „zum Teil ganz schwierig“. Und bei den Gastro-Schiffen an der Schlachte, sagt sie, „wird das nie was werden“. Zugleich sprach sich Lübben dagegen aus, die Debatte „auf dem Rücken der Gastronomen auszutragen“.
Immerhin hat das Bauressort begonnen, jene 24 Verfahren zu überprüfen, bei den Kneipen genehmigt wurden, die sich trotz der Vorschriften jetzt als nicht barrierefrei erwiesen. Das Ergebnis der Untersuchung steht noch aus, am Ende werden sich Bau-Deputation und Bürgerschaft mit dem Thema befassen. „Es gibt bislang erhebliche Defizite in der Kontrolle“, sagt der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück. Ein Problem sei vor allem der Alt-Bestand an Gastronomie, für den bislang keine Lösung in Sicht ist – und der sich auch auf die „Zauberformel“ vom „Bestandsschutz“ berufen könne. Nach geltendem Recht muss eine behindertengerechte Toilette aufweisen, wer seit 2003 neu oder wesentlich umgebaut hat. Für die Schlachte gibt es zwar eine öffentliche Toilette – Betroffene finden diesen Verweis jedoch entwürdigend. Und außerdem sei sie oft kaputt. JAN ZIER