Fußballfans blicken ins Leere

Am Montag beginnt der DFB die dritte Verkaufsphase für WM-Tickets, doch längst entwickelt sich ein zweiter Markt. Sponsorentickets werden munter weitergegeben – auch mit kommerziellen Absichten

VON KLAUS JANSEN

Die glücklichen WM-Besucher müssen Vielfahrer sein. Für bis zu 40.000 Payback-Punkte hat die Tankstellenkette Shell Tickets für die Fußball-Weltmeisterschaft versteigert. Das bedeutet: Ein Autofahrer musste 40.000 Liter aus den gelben Zapfsäulen des Konzerns tanken, um eine Eintrittskarte für ein WM-Spiel zu ergattern. Bei einem Punktwert von einem Cent – so rechnet Shell vor – haben die Kunden umgerechnet 400 Euro für eine Karte ausgegeben. Regulär kosten die Tickets 100 Euro.

Wenn am Montag die dritte Verkaufsphase für die Karten zur Fußball-WM beginnt, gehen Fans nicht mehr nur den offiziellen Weg über das Organisationskomitee, um an die knappen Tickets zu kommen. Längst hat sich ein zweiter Markt entwickelt: Aus dem großzügigen Kontingent, das die FIFA den 16 internationalen und sechs nationalen Sponsoren zur Verfügung gestellt hat (siehe Kasten), gelangen ebenfalls Karten in Umlauf.

Dabei werden Karten nicht nur wie ursprünglich vorgesehen verlost, sondern auch meistbietend weitergegeben. „Die gingen weg wie geschnitten Brot“, sagt Shell-Sprecher Rainer Winzenrieth. Shell kann glücklich sein, überhaupt Karten bekommen zu haben – denn der Konzern ist nicht als Sponsor für die WM engagiert. Der Reifenhersteller und Sponsor Continental hat Shell die Karten gegeben. „Wir bauen ein gemeinsames Marketing auf. Außerdem hat Continental keinen Kundenkontakt, aber wir schon“, so Winzenrieth. Bezahlt habe man für die Tickets nichts. „Da ist nichts Merkwürdiges dran“, findet er. Und auch das Organisationskomitee hat mit der Liaison von Continental und Shell kein Problem: „Eine solche third-party-promotion ist nach Rücksprache mit der FIFA erlaubt“, sagt Sprecher Gerd Graus.

Georg Trüber von der NRW-Verbraucherzentrale sieht das anders: „Das ist sehr fragwürdig“, sagt er. Schließlich sei die Weitergabe von Karten zwischen Privatpersonen streng reglementiert. Auch der Verkauf von Tickets bei ebay ist – wenn auch mit wenig Erfolg in der Praxis – offiziell untersagt. „Für Sponsoren müssen die gleichen Regeln gelten“, sagt er. Deshalb hat er den Fall Shell öffentlich gemacht. Zudem klagen die Verbraucherzentralen gegen den DFB wegen der Vergabe so genannter Optionstickets, bei denen sich Fans gegen Vorkasse auf eine Warteliste setzen lassen können – mit ungewissen Erfolgsaussichten (siehe unten).

Eine Versteigerung der Tickets wie im Fall Shell ist auch unter den Sponsoren umstritten. „Wir geben die Tickets nicht an Drittfirmen weiter“, verspricht eine Sprecherin von Coca Cola. Die meisten der 12.000 Tickets, die Coca Cola Deutschland besitzt, sollen per Gewinnspiel an die Kunden weitergegeben werden. Auch die Restaurantkette McDonalds, Besitzerin von 25.000 Karten, will ihr Kontingent nach Auskunft einer Sprecherin ohne finanzielle Gegenleistung an die Kunden weitergeben.

Organisierte Fußball-Fans halten die Möglichkeit, über inoffizielle Wege an WM-Tickets zu kommen, mittlerweile für aussichtsreicher als eine Bewerbung bei den Veranstaltern. „Wer jetzt noch keine Karten hat, wird auch bei der neuen Verkaufsphase nur mit sehr viel Glück welche bekommen“, sagt Matthias Bettag von der Fan-Initiative BAFF. Es sei lohnenswerter, auf die Sponsorentickets zu hoffen: „Viele werden die Tickets nicht los, die werden fröhlich verteilt“, sagt er. „Der Kanal in den Schwarzmarkt ist offen.“

Bettag rät den Fans, sich auch noch am Spieltag um Tickets zu bemühen. „Bei den vergangenen Turnieren war es so, dass Sponsoren in den großen Hotels der Stadt Tickets einfach verschenkt haben, weil sie nicht wussten, wohin damit.“ Im Sinne des DFB, der über jeden Stadionbesucher möglichst vorher Bescheid wissen will, ist das zwar nicht – aber durchaus machbar, findet Bettag. „Wer mit einem Sponsorenticket ankommt, wird bestimmt nicht zuerst rausgeschmissen.“