„Mit einer Stimme reden“

Manfred von Richthofen, 71, der Präsident des Deutschen Sportbundes, erklärt im taz-Interview, warum er eine Fusion seiner Organisation mit dem deutschen NOK für unabdingbar hält

INTERVIEW FRANK KETTERER
UND MARKUS VÖLKER

taz: Herr von Richthofen, mit welchem Gefühl sehen Sie dem Samstag entgegen?

Manfred von Richthofen: Ich freue mich auf diesen Tag, weil er die Möglichkeit schafft, endlich die Einheit des deutschen Sports herzustellen. Das ist ein großes Ereignis.

Geht es in Köln um Ihr Lebenswerk?

Die Vorstellung, dass der Sport mit einer Stimme reden sollte, hatte ich schon immer. Deshalb habe ich einen entsprechenden Anlauf ja schon einmal vor elf Jahren unternommen, der seinerzeit am NOK gescheitert ist. Ob man die Fusion deshalb gleich als mein Lebenswerk bezeichnen muss, weiß ich nicht.

Warum ist es so notwendig, dass NOK und DSB fusionieren?

Weil es eine Organisation geben muss, die den Spitzensport strafft, und zwar den gesamten. Wir haben in der Bundesrepublik ja eine föderalistische Struktur – und auch die muss sinnvoll eingebunden werden in das Ziel, bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften oder Europameisterschaften möglichst gut abzuschneiden. Dies ist nicht möglich, wenn im Bereich des Spitzensports in zwei getrennten Organisationen gearbeitet wird.

So wie derzeit der Fall.

Genau. Im DSB beschäftigt man sich mit Fragen der Eliteschulen, über jene der Olympiastützpunkte bis hin zur Trainerausbildung. Im NOK wiederum kümmert man sich um die Benennung der Mannschaft, ihre Entsendung sowie um die Betreuung vor Ort. Dabei weiß jeder, der sich mit Spitzensport beschäftigt, dass es sinnvoll wäre, all dieses in eine Hand zu legen. Genau das soll mit der neuen Organisation sichergestellt werden. Diese reicht im Übrigen weit über den Spitzensport hinaus. Der organisierte Sport in Deutschland ist schließlich ein gesellschaftspolitisches Schwergewicht mit vielen Aspekten.

Warum hagelt es dann wieder so vehement Kritik? Kämpft da der Breiten- gegen den Spitzensport?

Für mich ist das ein absolut vorgeschobener Grund, schon weil wir in der neuen Organisation neben dem Präsidialausschuss Leistungssport auch einen Präsidialausschuss Breitensport und Sportentwicklung haben. Beide Gremien sind herausgestellt, beide haben die gleichen Rechte und Pflichten – und mehr als eine Gleichstellung kann man nun mal nicht erreichen.

So weit her scheint es mit der Gleichstellung aber nicht. So hat IOC-Chef Jacques Rogge deutlich gemacht, dass die IOC-Charta ein Überstimmen der Olympischen Verbände auch in Teilbereichen nicht zulasse. Übersetzt heißt das, dass das jetzige NOK die Führungsrolle für sich beansprucht, was sich auch in der Stimmenverteilung niederschlägt. In der DOSB-Vollversammlung sollen 234 der insgesamt 460 zu vergebenden Stimmen an die 29 Spitzenverbände mit olympischen Sportarten gehen.

Das IOC schreibt nun einmal vor, dass die olympischen Verbände die Mehrheit haben müssen. Wenn Sie die Anerkennung des IOC für alle olympischen Angelegenheiten haben wollen – und das wollen wir natürlich –, dann müssen sie in diesen sauren Apfel beißen. Auch andere Länder, die eine solche Fusion durchgeführt haben, haben das Einverständnis des IOC einholen müssen. Wenn wir dazu nicht bereit gewesen wären, hätte wir uns erst gar nicht an einen gemeinsamen Tisch zu setzen brauchen. Das wusste man vorher.

Dennoch hat es nun den Anschein, als begriffen die Landessportbünde das Projekt DOSB weniger als Fusion denn als feindliche Übernahme.

Der Ausdruck feindliche Übernahme ist für mich eine realitätsfremde Aussage – und zwar von Personen, die erkannt haben, dass es in der neuen Organisation kleinere Gremien gibt, dass es statt zwei Präsidien nur noch ein Präsidium gibt, also weniger Posten. Aber genau das, diese Verschlankung, wollen wir ja. Das ist nur zeitgemäß.

Es geht mal wieder um Postengeschachere und Machterhalt?

Natürlich spielt das eine wichtige Rolle. Deshalb werden für mich auch viele Scheinargumente vorgeschoben. Wer sagt Ihnen schon auf den Kopf zu, dass er gegen die Fusion ist, weil er dadurch seinen Posten verlieren könnte.

Spielt der Sport die Koalitionsverhandlungen nach?

Völlig richtig erkannt.

Die Politik hat sich geeinigt.

Wir tun das ja vielleicht auch.

Dann gehen Sie davon aus, Ihre Landesfürsten rechtzeitig auf Linie gebracht zu haben?

Das wird sich zeigen. Wir haben ja zwei Abstimmungen – und in denen müssen sowohl DSB als auch NOK sehen, dass sie die Dreiviertelmehrheit, die für die Fusion nötig ist, zusammenbekommen.

Auf Seiten des NOK haben bereits sechs der sieben Wintersportverbände angedroht, gegen die Fusion stimmen zu wollen. Sie klagen, dass der eigentliche Fusionsgrund, nämlich die Schaffung einer effektiveren Struktur für den Leistungssport, sich im derzeitigen Satzungsentwurf nicht ausreichend niederschlage. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Nein. Ich denke, wir sind in der Straffung einen wichtigen Schritt gegangen. Außerdem ist eine Satzung keine Bibel, sondern sie kann, wenn man fehlerhafte Vorgänge entdeckt, jedes Jahr bei der Vollversammlung geändert werden.

Dennoch scheint so mancher fürs erste nicht an eine Verschlankung zu glauben. Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop beispielsweise befürchtet „noch mehr Beiräte, Ausschüsse und Beratungsgremien als zuvor“.

Natürlich könnte man noch mehr streichen, als schon gestrichen wurde. Aber dann wäre der Widerspruch ein noch größerer.

Wo, ganz konkret, wird verschlankt?

Das fängt ganz oben an: Aus zwei doch recht großen Präsidien soll ein neues, elfköpfiges Gesamtpräsidium werden.

Was kann man durch Streichungen wie diese einsparen?

Die Einsparungen werden vor allem im administrativen Bereich vollzogen. Das wird sich nicht von heute zu morgen auswirken, aber nachvollziehbar mittelfristig. Wenn es weniger Ausschüsse gibt, gibt es auch weniger Reise- und Übernachtungskosten. Sie halten es nicht für möglich, welche Kosten entstehen, wenn dauernd alle zu Sitzungen nach Frankfurt reisen müssen.

Wie steht es denn prinzipiell um die Finanzierung des DOSB?

Beim DSB gab es zuletzt die deutlichen finanziellen Einbrüche im Bezug auf die „Glücksspirale“, die sich ja Gott sei Dank wieder etwas erholt hat. Dadurch mussten wir auf Mittel zurückgreifen, die wir uns für den Notfall zur Seite gelegt hatten. Dennoch befindet sich der DSB, im Gegensatz zu vielen anderen Organisationen, nicht in den roten Zahlen. Dieses Problem würde sich am deutlichsten stellen, wenn wir das staatliche Wettmonopol verlieren würden. Nur: Dieses Problem würde sich für die Organisationen dann so oder so stellen – egal, ob sie getrennt marschieren oder gemeinsam.

Das deutsche IOC-Mitglied Thomas Bach hat unlängst festgestellt, dass eine Fusion „ganz neue Möglichkeiten der Erschließung von Geldquellen auftun würde“. Welche?

Wir wissen, dass große Wirtschaftsunternehmen sagen, dass sie nicht getrennt verhandeln wollen mit dem olympischen und dem nichtolympischen Sport. Die wollen auch nicht über Spitzensportsponsoring mit dem NOK und über Breitensportsponsoring mit dem DSB verhandeln, sondern schlichtweg mit einem Partner. Auch was die sicherlich nicht einfacher werdenden Verhandlungen mit der Bundesregierung, die ja in allen Bereichen sparen muss, anbelangt, gilt: Um so geschlossener der Sport auftritt, um so besser ist seine Position.

Herr von Richthofen,

Sie selbst haben bereits angekündigt, keine Ambitionen auf die Präsidentschaft im neuen Dachverband zu hegen. Wer käme für das Amt in Frage?

Wir haben vereinbart, dass wir die Personaldiskussion nach dem Samstag beginnen werden. Ich persönlich bin für den Einsatz einer Findungskommission.

Sie haben keinen Wunschkandidaten?

Doch. Aber den sage ich Ihnen nicht. Fest steht nur, dass es eine starke Führungspersönlichkeit sein muss. Und ich weise darauf hin, dass auch der „Chef Breitensport“ sowie der „Chef Spitzensport“ nicht schwächer einzustufen sein werden. Das ist das Trio, das den DOSB führen wird.

Was wird aus Ihnen?

Ich ziehe mich zurück. Und wenn ich zu einer Beratung gebeten werde, dann stehe ich natürlich zu Verfügung.

An ein Scheitern der Fusion denken Sie nicht?

Doch, so blauäugig bin ich nicht. Es handelt sich um eine Wahl –

und da ist alles möglich.

Was würde ein Scheitern bedeuten?

Ein Imageverlust, wie wir ihn noch nie hatten. Schon weil alle politischen Kräfte der Bundesrepublik sich immer wieder für eine Fusion ausgesprochen haben, von Schily bis Schäuble. Und weil auch die Wirtschaft in Zukunft nur noch mit einer Organisation verhandeln will. Die Konsequenzen, wenn das nun scheitern würde, sind wirklich nicht abzusehen. Da würde man sich der Lächerlichkeit preisgeben.