Kling, Totenglocke, kling

Stephen King adaptiert Lars von Trier: Die Krankenhaus-Groteske „Kingdom Hospital“ (22.10 Uhr, Kabel1)

Es gibt nur wenige Leute, die so gut falsche Spuren legen können wie Lars von Trier. Nicht nur, dass der Regisseur am laufenden Band Dogmen verkündet, die er selbst am schnellsten wieder umstößt: Da ist er die letzten Jahre mit seiner Amerika-Trilogie (bislang erschienen: „Dogville“ und „Manderlay“) beschäftigt, die sich mit fast sadistischer Lust an den Sollbruchstellen des US-Republikanismus abarbeitet – und dann überlässt er Horrorautor Stephen King seine Krankenhausserie „Geister“, um sie für den amerikanischen Markt zu adaptieren. So heißt ein Arzt im neu errichteten „Kingdom Hospital“ auf einmal Jesse James oder der Verwaltungsangestellte Johnny B. Good, und wir müssen davon ausgehen, dass diese Plattheit Lars von Trier ein diabolisches Grinsen entlockt hat: In King hat er seinen Meister im genüsslichen Breittreten des Plakativen gefunden.

Im „Kingdom Hospital“ drückt die Last von unten. Die neogotische Klinik irgendwo in Neuengland ist auf den Ruinen einer Uniformfabrik aus Bürgerkriegszeiten errichet, die in einem verheerenden Feuer vor allem Kinder in den Tod riss. Seitdem wandelt der Geist eines kleinen Mädchens durch die labyrinthischen Gänge des Neubaus und läutet beständig sein Totenglöckchen. Dauerpatientin und selbst ernanntes Medium Sally Druse nimmt schließlich ihre Fährte auf und führt das Krankenhaus dabei an die Schwelle zu seiner eigenen düsteren Vergangenheit: Bald schon wandeln Dämonen durch die Klinik.

Ein Krankenhaus, das langsam den Boden unter den Füßen verliert – King erzählt diese Geschichte als ein bizarres Gruselmärchen. „Eine Mischung aus ‚Emergency Room‘ und ‚The Shining‘ “, so King, habe er aus von Triers Vorlage gemacht. Tatsächlich ist er an diesen Formaten näher dran als am Original. Denn obwohl sich die Serien zum Teil bis in einzelne Dialoge und Einstellungen ähneln, hat King den Akzent deutlich zu Gunsten des Grotesken verschoben. So stellt er dem untoten Mädchen etwa einen überdimensionalen Ameisenbär mit buntem Fell zur Seite, der freundlich nebenher tappst.

Von Trier hingegen treibt mit dem Einzug der Dämonen gleichzeitig den Geist der Schulmedizin aus: Wer verstehen will, was in seinem Krankenhaus passiert, kommt mit dem Glauben an Vernunft und Technik herzlich wenig weiter. Außerdem sind seine Charaktere präziser: Wie hier die Menschen ihre Herzen und Bauchdecken öffnen, ist wahrlich schaurig. Eine Wiederholung der fantastischen Originalserie, die die letzten Jahre über nur verstreut in den Dritten lief, ist überfällig. Für die Zwischenzeit ist die US-Adaption aber Spaß genug. H. Pilarczyk

Die Serie startet mit einem Pilotfilm, ab nächsten Montag dann zwölf Folgen