Ein Tag, zwei Nachrichten

Nicht gegendarstellungsfähig (XXXI): Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: China am 9. Dezember

Dem Rechtsanwalt Zeng Enchong verleiht der Deutsche Richterbund seinen diesjährigen Menschenrechtspreis: Enchong hatte versucht, Menschen, die wegen Neubauvorhaben in Schanghai von ihren Grundstücken und aus Wohnungen vertrieben wurden, Rechtsbeistand zu leisten. Ihm wurde daraufhin die Anwaltszulassung entzogen. Er informierte darüber unter anderem eine US-amerikanische Menschenrechtsorganisation. Daraufhin verurteilte ihn das zuständige „Volksgericht“ im Jahre 2003 zu drei Jahren Knast wegen Verrats von Staatsgeheimnissen. Die sitzt er jetzt ab. Den Preis der Deutschen Richter konnte er deshalb nicht entgegennehmen.

In Südchina wird nahe der Stadt Donghzou ein Windkraftwerk geplant. Die Bewohner des Areals werden – wie stets bei Investitionsvorhaben in der VR- China – kurzerhand von ihrem Land vertrieben und entweder gar nicht oder nur unzureichend entschädigt. Rechtsschutz gibt es nicht. Sie demonstrieren; nach jüngsten Mitteilungen Hongkonger Medien erschießt die Polizei bis zu 20 von ihnen.

Die Meldungen lehren uns: Die Menschenrechtsfrage in der VR-China beschränkt sich nicht auf Widerstandshandlungen von Oppositionellen, die das politische System ändern wollen, oder von Religionsanhängern oder unterdrückten Minderheiten und Ethnien. Jedes Bau- und Industrieprojekt führt zu Vertreibungen und massiven Menschenrechtsverletzungen. Wenn Airbus-Industries – um 150 Airbusse verkaufen zu können – in der VR-China ein Werk plant und sich dafür von der Bundeskanzlerin feiern lässt, dann werden auf dem zukünftigen Werksgelände Menschen vertrieben. Finden sie einen Anwalt, der versucht, wenigstens Entschädigungsleistungen für sie durchzusetzen, widerfährt dem im Zweifel das Schicksal Zeng Enchongs. Selbst Windkraftanlagen, von der Ökoindustrie als energiewirtschaftliches Hoffnungszeichen gefeiert, werden um den Preis massiver Menschenrechtsverletzungen durchgesetzt. „Saubere“ Geschäfte gibt es mit der VR-China nicht: Wer hier Geschäfte macht, welcher Art auch immer, initiiert immer Menschenrechtsverletzungen. Das ist die schlichte Wahrheit der chinesischen Menschenrechtsfrage.

JONY EISENBERG