DIE OPPOSITION IM BUNDESTAG BRAUCHT KEIN ARTENSCHUTZPROGRAMM : Der Opportunismus findet seinen Weg
Die Opposition hat es unter einer großen Koalition schwer. Nicht genug, dass sie im Bundestag gegen eine 446-aus-613-Stimmen-Übermacht anreden muss. Die drei Kleinen – FDP, Grüne und Linke – leiden auch noch darunter, dass jede neue Regierungsbeteiligung in den Ländern die Glaubwürdigkeit ihrer Berliner Rolle untergräbt und umgekehrt. Verschärft wird das Problem nun durch die Plattenverschiebung auf dem Parteienplaneten. Denn dank Linkspartei ist es recht wahrscheinlich geworden, dass nur noch entweder großkoalitionär – oder zu dritt regiert werden kann.
Aber wie denn dann? Die FDP zum Beispiel muss sich heute damit befassen, dass ihr Chef Guido Westerwelle die Grünen für nicht satisfaktionsfähig erklärt. Von seiner Warte aus hat Westerwelle Recht: Die FDP hat bei der Bundestagswahl mit einem glasklar schwarz-gelben Kurs sehr gut abgeschnitten. Nur haben die Länderliberalen etwa aus Schleswig-Holstein eben auch ein gutes Argument, wenn sie eine Annäherung an die Grünen vorschlagen, um endlich und irgendwann einmal, sei es als Schwarz-Grün-Gelb oder als Rot-Grün-Gelb, an die Regierung zu gelangen.
Westerwelle dürfte derlei Ansinnen mit bewährtem Größenwahn niedertrampeln. Er sieht vorläufig keinen Handlungsbedarf: Schließlich hat die FDP gegenwärtig fünf Regierungsbeteiligungen vorzuweisen und ist damit im Bundesrat so stark wie die SPD. Noch.
In helle Verzweiflung stürzt dagegen die Machtfrage die Grünen. Sie regieren gar nirgendwo mehr mit, werden einen Neustart nur über die Länder schaffen. Jede Regierungsbeteiligung aber, die nicht rot-grün ist, wird die Partei fürchterlich beuteln – und dann noch mit der FDP? Was das Mitregieren schließlich mit den Linken macht, lässt sich an dem Aufstand der WASG gegen die Fusion ablesen, der in den rot-roten Ländern Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ausgebrochen ist.
Fast möchte man ein Artenschutzprogramm für Oppositionsparteien fordern – könnte man nicht fest darauf vertrauen, dass der Opportunismus seinen Weg finden wird. ULRIKE WINKELMANN