Wenn Ebbe und Flut eine Insel gefährden

DIE INI (XX) Auf Wangerooge engagiert man sich gegen die Gezeiten und für ein Wahrzeichen

Die Norddeutschen engagieren sich in Bürgerinitiativen gegen Verkehrsprojekte, für Tiere oder gegen Datenmissbrauch – mal laut und knallig, mal leise und beharrlich. Diese Serie stellt in loser Folge die Menschen hinter den Initiativen vor.

Das Gartentor quietscht leise und schrabbt beim Öffnen über den Steinweg. Noch liegt der Garten von Friederike Hansen im Winterschlaf, nur ein paar bunte Plastikostereier hängen an den noch kahlen Büschen. „Hier lebt, liebt und streitet Familie Hansen“ steht auf einer kleinen Tafel über dem Klingelschild.

Schwungvoll reißt Hansen die Tür auf und geht voran in die große Wohnküche. „An diesem Tisch haben wir unsere Bürgerinitiative gegründet“, sagt die 53-Jährige und schiebt einen Stapel Aktenorder zur Seite. „Nieder mit den Gezeiten“ steht auf allen Ordnerrücken, so eine Initiative bedeute auch viel Papierkram, sagt Hansen. „Unser Name klingt vielleicht ein wenig martialisch“, lacht sie, aber so bekämen sie wenigstens genug Aufmerksamkeit. Und sie weiß, wovon sie spricht, hat sie doch in einem Werbe-Atelier gearbeitet, bevor sie vor mehr als 25 Jahren der Liebe wegen Bielefeld verließ und nach Wangerooge kam.

„Als Zugezogene habe ich einen etwas anderen Blick als die Insulaner“, sagt Hansen. Schon lange habe sie das Gefühl, dass durch Ebbe und Flut immer weniger vom Ursprung der Insel übrig bleibe. Ihr gehe es um Nachhaltigkeit und den Erhalt des Natürlichen. „Sehen sie sich die Westseite an“, sagt Hansen und deutet auf eine Landkarte von Wangerooge. „Dort gibt es ein Deichwerk aus Asphalt und Stein, da sieht man gar nicht mehr, wie schön es hier ist.“

So richtig konnte sie die knapp 900 Inselbewohner zunächst nicht von ihrer Idee einer Bürgerinitiative überzeugen. Eine Initiative gegen die Gezeiten? Das sei absurd, habe sie oft gehört. Schließlich lebe man auf Wangerooge vom Tourismus und die Besucher kämen wegen Nordsee, Wind und Watt. Und außerdem verdanke die Insel ihr Überleben jenen teils aufwendigen Schutzmaßnahmen, mit denen schon Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen wurde. Ohne Schutz wäre die Insel schon lange in alle Winde und Wasser verstreut.

Doch dann kam die Sache mit der Ostbake. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Wilhelmshaven wollte die Ostbake, die sie hier Eieruhr nennen, abreißen. Baufällig sei das unscheinbare Bauwerk aus Holzbalken, das seit über 100 Jahren Wind und Wasser ausgesetzt ist. Eine Sanierung lohne nicht. „Es war immer klar, dass Wind und Wasser der Insel und auch der Eieruhr enorm zusetzen“, sagt Hansen, aber der geplante Abriss war auch für die knapp 30 anderen Mitglieder der Initiative die Initialzündung, sich zu engagieren.

Jeden Mittwoch trifft sich nun der harte Kern der Initiative in Hansens Küche und plant die nächsten Schritte. Einmal haben sie zu einem Infotag an den Oststrand geladen und es kamen viele. Klar gebe es auch nach der gut besuchten Veranstaltung noch Skeptiker, aber den meisten konnten sie klarmachen, dass sie keine spinnerten Fantasten seien. „Natürlich wissen wir, dass man die Gezeiten und ihre zerstörerischen Kräfte nicht einfach abschalten kann“, sagt Hansen, schließlich könne man ja nicht einfach den Mond vom Himmel holen. Aber sie sei eben kein Typ, der die Hände in den Schoß lege und abwarte.  ILK