piwik no script img

Archiv-Artikel

Knöllchen für Rüttgers

Die Opposition attackiert das geplante Schulgesetz heftig. „Rüttgers verwechselt Kinder mit Kartoffeln“, kritisieren die Grünen. Der Landeschef hält aber am Entwurf und Ministerin Sommer fest

DÜSSELDORF dpa/taz ■ Nennenswerte Erfahrungen als Landwirt hat Jürgen Rüttgers in seinem Leben noch nicht gemacht. Nach Ansicht der Opposition im nordrhein-westfälischen Landtag hat der CDU-Ministerpräsident jedoch bei der Fassung des neuen Schulgesetzes agrarische Kriterien angewandt: „Sie verwechseln Kinder mit Kartoffeln“, warf die grüne Bildungsexpertin Sigrid Beer Rüttgers gestern in einer aktuellen Stunde des Düsseldorfer Parlaments vor. Das von Schwarz-Gelb vorgelegte Gesetz führe dazu, dass „Kinder im Alter von acht bis neun Jahren in Güte- und Leistungsklassen eingeteilt“ würden.

Die Landesregierung hatte am Dienstag Eckpunkte eines neuen Schulgesetzes beschlossen, das im Landtag zu einem heftigen Schlagabtausch führte. Kernpunkte des Werkes, dass NRW laut Schulministerin Barbara Sommer (CDU) „aus dem Jammertal der Pisa-Verlierer“ herausführen soll, sind die Abschaffung der Schulbezirke und ein dreitägiger Eignungstest, durch den Grundschüler den weiterführenden Schulformen zugeordnet werden sollen – falls die Eltern dem Gutachten der Lehrer widersprechen.

Beide Punkte lassen bei SPD und Grünen die Angst vor einem schulpolitischen Roll-back wachsen. Ex-Schulministerin Ute Schäfer (SPD) warf ihrer Amtsnachfolgerin Sommer vor, durch die Eignungstests den Elternwillen auszuhebeln. Bislang konnten diese auch abweichend vom Willen der Lehrer darüber entscheiden, ob sie ihr Kind auf einem Gymnasium, einer Real-, Gesamt- oder Hauptschule anmelden. Schäfer kritisierte zudem, dass die Abschaffung der Schulbezirke die Bildung von „Gettoschulen“ fördere. Wenn reiche Eltern ihre Kinder künftig außerhalb ihres Wohnbezirks zur Schule schicken dürften, werde dies zu einer weiteren Ausgrenzung von Kindern aus sozial schwachen Familien führen.

Schulministerin Sommer verwies hingegen darauf, dass die neue Landesregierung gerade Schulen in sozialen Brennpunkten besonders fördere. Allein dafür würden im kommenden Jahr 600 neue Lehrer eingestellt, sagte sie. Zudem verteidigte sie die Trennung der Schüler nach der vierten Klasse. „Der Mensch beginnt nicht erst mit dem Abitur“, sagte sie. Unterschiedliche Kinder benötigten unterschiedliche Angebote.

Die frühere Sonderschulleiterin Sommer war in den vergangenen Wochen auch von Lehrerverbänden und Bildungsgewerkschaften immer wieder heftig angegangen worden. Die Opposition hatte die umstrittene Ministerin deshalb bereits als erste Wackelkandidatin im Kabinett Rüttgers ausgemacht und über das „Ende der Sommerzeit“ spekuliert. Jürgen Rüttgers hält allerdings bislang an der Quereinsteigerin fest. Die Novelle des Schulgesetzes verteidigte der Ministerpräsident so: „Wir suchen einen Weg, den Kindern jahrelange Qualen zu ersparen.“