: Energieministerin Thoben geht ein Licht auf
Nach den Stromausfällen im Münsterland will CDU-Landeswirtschaftsministerin Christa Thoben RWE nicht noch mit Preiserhöhungen belohnen. Der Stromversorger räumt ein: Bruchgefahr an Strommasten ist schon seit 1994 bekannt
DÜSSELDORF taz ■ In der Affäre um die Stromausfälle im Münsterland erhöht Nordrhein-Westfalens Wirtschafts- und Energieministerin Christa Thoben langsam den Druck auf den Energieversorger RWE: Die Christdemokratin will nicht alle vom Essener Stromkonzern zum ersten Januar beantragten Preiserhöhungen genehmigen. Zwar falle eine endgültige Entscheidung erst „in den kommenden zwei Wochen“, so Thobens Sprecher Joachim Neuser zur taz. Insgesamt aber signalisiert der Sprecher Skepsis: „Von den Anträgen auf Preiserhöhung, die bisher entschieden worden sind, wurden über 25 Prozent nicht genehmigt“, sagt Neuser. „Warten Sie doch mal das Verfahren ab.“ Der Konzern, der seinen Gewinn bis Mitte November auf 4,66 Milliarden Euro steigern konnte, plante ursprünglich Preiserhöhungen von bis zu sechs Prozent.
Doch auch Thoben selbst gerät immer stärker in die Defensive. Am Dienstagabend hatte die Christdemokratin einräumen müssen, dass das ihrem Ministerium unterstellte Materialprüfungsamt in Dortmund schon seit 1994 über eine erhöhte Bruchgefahr bei älteren Strommasten informiert war. Das Amt habe aber „keine Veranlassung gesehen, das NRW-Wirtschaftsministerium über die Ergebnisse der Prüfungen zu unterrichten, weil es sich um einen privatrechtlich erteilten Auftrag durch die RWE handelte“ – der Energieversorger hatte Proben eingereicht, nachdem 19 Masten einer bayerischen Hochspannungsstrecke zwischen Vöhringen und Füssen zusammengebrochen waren.
Zusätzlich musste RWE einräumen, dass ein großer Teil der rund 44.000 Masten des Hochspannungsnetzes noch aus der Vorkriegszeit stammen: Mehr als 10.300 Masten wurden vor 1940 errichtet. Dennoch plant der Konzern keinen Komplett-Austausch seines Altbestandes: Nur als „nicht torsionssicher“ geltende Masten, die extremen Zugbelastungen nicht mehr standhalten, würden ausgetauscht. Dies betrifft im Wesentlichen Masten, die vor 1930 errichtet wurden.
Thobens Sprecher Neuser übt sich dennoch in Schadensbegrenzung. Eine Erneuerung der Strommasten könne nur „step by step“ umgesetzt werden. Allerdings prüfe die Wirtschaftsministerin eine Verschärfung „energieaufsichtsrechtlicher Maßnahmen“, mit denen die „technische Aufsicht“ verbessert werden soll. Dies hätten alle Landesressortchefs auf der Wirtschaftsministerkonferenz am Dienstag beschlossen. Entscheidungen sollen „innerhalb der nächsten drei Monate“ fallen.
Der Opposition im Düsseldorfer Landtag reicht das nicht. „Unglaublich“ sei das Vorgehen von RWE, Wirtschaftsministerium und dem unterstellten Dortmunder Amt für Materialprüfung, findet Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der Grünen. „Schon 1994 sind Stromleitungen in Bayern zusammengebrochen, und RWE kommt nicht auch die Idee, das auch die 40.000 Masten in Nordrhein-Westfalen marode sein könnten.“ Auch sei es ein Skandal, dass die Dortmunder Materialprüfer das Wirtschaftsministerium nicht informierten: „Die eigene Chefetage weiß von nichts“, ärgert sich Priggen. „Das darf nicht sein.“ Auch die wirtschafts- und innenpolitischen Sprecher der SPD, Norbert Römer und Karsten Rudolph, hatten schon vor Tagen einen „Strom-TÜV“ zur unabhängigen Überwachung der Stromnetze gefordert.
Keinesfalls dürfe Thoben nun Preiserhöhungen durch RWE genehmigen, fordert der Grüne Priggen. „Die Sanierung der Masten muss zu Lasten der Dividende, nicht zu Lasten der Verbraucher geschehen.“
ANDREAS WYPUTTA