: Alles gleich, nur anders
BILANZ Ein Jahr Barack Obama. Gesundheitsreform, Guantánamo, Afghanistan – ist der „change“ jetzt da oder nicht? Ein inneres Zwiegespräch
VON BERND PICKERT
Boah, ist das wirklich schon wieder ein Jahr her? Vor dem Capitol in Washington, Millionen Leute. Und Barack Obama mit dem verhaspelten Schwur zur Amtseinführung als erster schwarzer Präsident der USA. Am schönsten war, wie George W. Bush in den Hubschrauber stieg und endlich davonflog. Hach!
Damals dachten wir noch, dass alles anders werden könnte. Oh je.
Hallo??? Es ist doch auch alles anders geworden. Na ja, vieles. Gut, manches. Okay, Guantánamo wollte er gleich schließen, und es ist immer noch da. Es ist aber auch schwierig, was soll man mit diesen Leuten machen? Und jetzt noch dieser Anschlagsversuch an Weihnachten – ein Geschenk für die Republikaner. Dick Cheney kräht doch schon die ganze Zeit, dass Obama die USA immer unsicherer und schwächer machen würde. Und trotzdem versucht Obama auch jetzt noch, alles anders zu machen. Er hat doch selber in seiner Rede zum Anschlag gesagt, die bürgerlichen Freiheiten dürften nicht aufgegeben werden.
Äh, eigentlich sind die ganzen Maßnahmen aus der Bush-Zeit noch in Kraft, oder? Und nach Afghanistan schickt er sogar noch mehr Truppen…
Aber das hat er vorher gesagt! Und die Gesundheitsreform, sein wichtigstes Wahlversprechen, ist doch jetzt schon so gut wie verabschiedet, ist das vielleicht nichts?
Aber von dem, was Obama eigentlich vorhatte, ist nicht viel übrig geblieben, der staatliche Teil ist raus, und der Anspruch, wirklich alle US-Amerikaner zu versichern, ist auch dahin.
Aber da kann Obama nichts dafür, es ist doch der Kongress, der das alles gekillt hat!
Stimmt, aber weiß man das nicht vorher, dass das durch den Kongress muss? Muss er sich da nicht durchzusetzen?
Ja, schon richtig, aber Obama konnte doch nicht damit rechnen, dass die Republikaner so dermaßen stur sein würden!
Einverstanden: Obama hat wohl wirklich geglaubt, er könnte eine neue überparteiliche Zusammenarbeit einleiten. Vielleicht seine größte Fehleinschätzung. Aber was ist dann aus dem ganzen Wahlkampfmantra geworden, er würde den Politikbetrieb in Washington grundsätzlich verändern, die Lobbyisten würden weniger Einfluss bekommen, und die BürgerInnen, hätten das Wort? Eben, nichts. Obama ist Politiker, und die anderen sind auch alle noch da. Beim nächsten Wahlkampf kann dann ein Republikaner gegen den Washingtoner Filz wettern.
Na klasse, und wir Obama-Unterstützer machen mit. Das fällt wirklich auf: Man findet viel mehr Obama-Unterstützer, die ganz vieles in diesem ersten Jahr schlecht finden, als Obama-Gegner, die auch nur ein paar Sachen gutheißen. Wenn das so weitergeht, verlieren die Demokraten im November die Kongressmehrheit.
Und, wär das wichtig? Schlimmer als mit diesem Kongress jetzt kann das doch auch kaum kommen.
Jetzt ist aber mal gut! Und außerdem: die Außenpolitik! In diesem ersten Jahr hat Obama mindestens drei großartige Reden gehalten, ob nun die an die islamische Welt in Kairo, die vor der UN-Vollversammlung oder die zum Friedensnobelpreis in Oslo. Die war übrigens wirklich gut, so reflektiert und differenziert! Ein neuer Stil in der internationalen Politik!
Aber seine Gegner im eigenen Land lachen sich tot darüber, und tolle neue Allianzen hat Obama international auch nicht schmieden können. Intellektuelle Eloquenz, das merkt er wohl auch selbst, ist für den Präsidenten der USA nicht mal eine notwendige Bedingung – eine hinreichende in keinem Fall.Menno!!!!