azubi-ausbeutung : Der Ernst des Arbeitslebens
Neulich, an einem Freitagabend, saßen drei Auszubildende in der S-Bahn: Die erste schien zufrieden, sie kam gerade von ihrem Ausbildungsplatz in einem süddeutschen Großbetrieb. Der zweite, ein künftiger Koch, bemerkte angesäuert, er müsse am nächsten Morgen wieder unbezahlte Überstunden schrubben. Und der dritte meinte, er sei auf der Baustelle der Steineschlepper vom Dienst. „Ihr müsst euch wehren“, sagte die junge Frau. Recht hat sie. Das zeigt auch der DGB-Ausbildungsreport.
KOMMENTAR von RICHARD ROTHER
Denn die Gewerkschaftsumfrage unter Azubis kommt zu einem erschütternden Ergebnis: Vor allem in kleinen Betrieben werden Jugendliche, die ihren Beruf lernen wollen, als billige Arbeitskräfte missbraucht, sind der Willkür ihrer Chefs ausgesetzt. Sicher, mit solchen Umfragen wollen die Gewerkschaften aufrütteln – und Mitglieder werben. An der Tendenz ihrer Aussagen gibt es aber kaum Zweifel. Miserable Arbeitsbedingungen sind in einigen Branchen leider üblich, nicht nur für Jugendliche.
Dass sich die Azubis vieles gefallen lassen, hat einen einfachen Grund: Sie sind froh, eine Lehrstelle zu haben – und damit die Chance auf einen Berufsabschluss sowie einen entlohnten Job. Wenn nur jeder dritte Bewerber eine betriebliche Lehrstelle kriegt, ist klar, dass manch Unternehmer, der sich im harten Konkurrenzkampf befindet, die Muskeln spielen lässt und das Maximale aus den Azubis herauszuholen sucht. Eben noch auf der Schulbank, lernen die den Ernst des Arbeitslebens in der Marktwirtschaft schneller kennen, als ihnen lieb ist. Studenten genießen noch eine Schonfrist.
Ändern wird sich an der Azubi-Misere zunächst wenig, auch wenn gewerkschaftliches Engagement wenigstens krasse Fälle von Ausbeutung verhindern kann. Die Azubis von morgen aber könnten Glück haben: Weil in ein paar Jahren weniger Jugendliche auf den Ausbildungsmarkt drängen, werden Unternehmer gute Azubis händerringend suchen. Und netter sein.