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Archiv-Artikel

Das verordnete Einheitsgedenken

ERINNERUNG Bunte Patchwork-Fläche, Hocker und Schachteln: Der Siegerentwurf zum geplanten Einheitsdenkmal in Leipzig stößt bei den Bürgern auf wenig Akzeptanz

DRESDEN taz | So ist das eben mit den Denkmälern. Die gewachsenen wie die East Side Gallery in Berlin sollen abgerissen werden, und die künstlich-künstlerischen finden oft wenig Akzeptanz in der Bevölkerung. So wird die Schaukelschale des geplanten Einheits- und Freiheitsdenkmals in der Hauptstadt Berlin als „Bundeswippe“ verspottet. Nicht anders ergeht es einem ähnlichen Projekt in der „Heldenstadt“ Leipzig: Laut Umfrage der Leipziger Volkszeitung (LVZ) ist nur ein Drittel der Bürger für ein solches Wendedenkmal.

Leipzig verfügt bereits über authentische Erinnerungsstätten an die friedliche Revolution des Herbstes 1989, vor allem in der Umgebung der Nikolaikirche und am Ring. Die Montagsdemo vom 9. Oktober entlang dieser Route mit geschätzt 70.000 Teilnehmern gilt als Durchbruch des Bürgerwillens, der das Ende der DDR einläutete. Auf Drängen mehrerer ostdeutscher Abgeordneter beschloss der Bundestag 2007 neben der Errichtung eines Einheitsdenkmals in Berlin auch ein offizielles Mahnmal in Leipzig. Die Kosten von 6,5 Millionen Euro teilen sich Bund und Sachsen auf. Die Stadt stellt ein Grundstück in der Innenstadt zur Verfügung.

Im Juli 2012 wählte die Jury drei Entwürfe des Architektenwettbewerbs. Doch vor allem der Siegerentwurf „Siebzigtausend“ löst bis heute anhaltende Kontroversen aus. Eine bunte Patchwork-Fläche, die ältere Leipziger an die Turn- und Sportfeste der DDR erinnert, dazu Hocker als Symbol der freien Rede und 70.000 Schachteln, die mitgenommen werden können. Die Bürger erkannten allerdings überhaupt keinen Bezug zu den Ereignissen von 1989. Bei der Umfrage der LVZ vom Januar waren 39 Prozent strikt dagegen, weitere 28 Prozent ohne Meinung.

Auch der ehemalige Chef des Bundesamtes für Bauordnung und Raumwesen, Florian Mausebach, hält den Leipzig-Wettbewerb für gescheitert, wie er in einem offenen Brief an Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) schrieb. Mausebach ist Initiator des Berliner Einheitsdenkmals und erhielt dafür 2008 den Nationalpreis. Die Stadt lehnte jedoch eine Neuausschreibung ab. Siegfried Schlegel, Bauexperte der Linksfraktion im Stadtrat, glaubt, dass die erste Phase des Wettbewerbs noch nicht abgeschlossen ist. Denn die drei Preisträger sind aufgefordert, ihre Entwürfe zu überarbeiten.

Auf dieses Ergebnis ist nur Bürgermeister Jung „gespannt“, wie er jetzt der LVZ sagte. „Die Preisträger bekommen eine faire Chance.“ Schon zuvor sagte er, es sei nicht tragisch, wenn der angestrebte Realisierungstermin zum 25. Jahrestag der Wende 2014 nicht gehalten werden kann. „Wir brauchen eine hohe Akzeptanz, deshalb darf es nicht übers Knie gebrochen werden.“ Dieser Auffassung ist auch einer der Initiatoren, der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber. „Wir sind damals für die Freiheit und nicht für ein Denkmal auf die Straße gegangen!“ Er gibt sich gelassen, erinnert aber daran, dass dieses Denkmal nicht nur eine Sache der Leipziger, sondern der ganzen Nation sei.

350.000 Euro hat das verordnete Mahnmal schon gekostet. Im Stadtrat scheiterte die Linke mit ihrer Forderung nach einem Bürgerentscheid. Bei den Genossen löste das süffisante Vergleiche mit dem Bürgergeist des Jahres 1989 aus. MICHAEL BARTSCH