Klammes Radiolabor

HÖRFUNK Heute geht DRadio Wissen auf Sendung – allerdings nur auf digitalen Verbreitungswegen. Die junge Zielgruppe stört das kaum

VON DANIEL BOUHS

Dietmar Timm war bisher bloß Multimedia-Chef des Deutschlandradios. Als die Politik aber den Kölner Sender im Sommer damit beauftragte, neben Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur einen dritten, digitalen Kanal zu starten, war klar: Der 61-Jährige soll auch hier die Fäden in der Hand halten. Schließlich soll DRadio Wissen nicht nur ein Programm mit besonderem Fokus sein. Es soll den Hörfunk auch gleich mit dem Internet verkuppeln.

Programmdirektor Günter Müchler sagt gar, beide Massenmedien sollen „miteinander versöhnt werden“. DRadio Wissen sei „eine Suchmaschine für das Radio von morgen“. Und Intendant Willi Steul bezeichnet seinen neuen Kanal hochtrabend als „Radiolabor mit Netzanschluss“.

Hier machen sie aber nicht mehr als aus der Not eine Tugend. DRadio Wissen wird nämlich niemand im Auto hören können, weil die Politik dem Sender eine UKW-Frequenz versagt, um die digitale Verbreitung zu puschen. Wer live zuhören will, muss einen Stream im Internet abrufen oder seine Stereoanlage mit dem Kabelnetz oder einer Satellitenschüssel verbinden.

Weil das für eine ordentliche Verbreitung nicht reichen dürfte, und schon gar nicht bei den angepeilten mobilen jungen Leuten, startet heute auch gleich eine opulente Internetplattform. Wellenchef Timm verspricht: „Fast alle Angebote werden im Netz stehen.“ Seine Redaktion führe dafür sogar das Prinzip „online first“ im Hörfunk ein und stelle Beiträge schon vor der Ausstrahlung ins Netz. Unter wissen.dradio.de können die Hörer zudem alle Beiträge kommentieren – für Timm auch ein „Korrektiv“.

DRadio Wissen will vor allem werktags aktuell informieren, laut Timm aber „kein Wissenschafts-, sondern ein Wissenssender“ sein. Neben Neuem aus der Forschung soll der Sender auch das Alltagswissen im Blick haben – etwa Entwicklungen im Netz oder Tipps für eine vernünftige und gesunde Lebensweise. Dafür sendet der Kanal bis 18 Uhr jede Viertelstunde News, darunter spezielle „Wissensnachrichten“. Dazwischen füllen Magazine wie „Natur“, „Meine Zukunft“ und „Agenda“ die Sendezeit.

Diese knappen „Themenquadranten“, wie die Sendungen im DRadio-Jargon heißen, laufen mehrmals am Tag und lassen sich für mobile Geräte abonnieren. Weil sie sich perfekt für Bahnfahrten, Fußwege und Pausen eignen und jeweils klar abgesteckte Interessen bedienen, könnten sie DRadio Wissen schnell zum Durchbruch bei der Zielgruppe verhelfen.

Der Kanal soll sich stets neu erfinden und sein Sendeschema den Interessen des Publikums anpassen. Timm verspricht einen „ständigen Laborcharakter“, zu dem auch die für die Abende und das Wochenende geplanten Übernahmen von Sendungen anderer Radioanstalten zählten, etwa von ARD-Programmen, aber auch von Radio France, der BBC, der Schweizer DRS und Radio New Zealand. Noch im Januar sollen außerdem andere Sendungen starten, darunter Nachrichten auf Latein und Talkformate mit Medien wie der Technikzeitschrift c’t und der Zeit.

Dass DRadio Wissen nur 30 Prozent seiner Inhalte selbst produzieren wird, ist auch eine von Anfang an gesetzte Sparmaßnahme: Das Deutschlandradio kann sich gar nicht mehr leisten – und will deshalb zur nächsten Gebührenperiode von 2013 an mehr Geld beantragen. Bis dahin leiden offenbar die Mitarbeiter der beiden Schwesterprogramme. Redakteure sagen, ihre Etats würden seit dem Entwicklungsbeginn des dritten Kanals „von Wachhunden kontrolliert“.