BRITEN IM ZWIESPALT: EIN TEURER KOMPROMISS : Die Frau, die Frankreich bändigte
DUBLIN taz ■ Die britischen Zeitungen sind sich einig: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel spielte die Schlüsselrolle beim EU-Haushalt.
Anders als ihr Vorgänger Gerhard Schröder habe sie dem französischen Präsidenten Jacques Chirac keine freie Hand bei den Verhandlungen gelassen, schreibt der Independent. „Die Übereinkunft von Brüssel war ein vernünftiger Kompromiss“, so das Blatt. „Keine Übereinkunft wäre, wie Blair ganz richtig sagt, schlecht für Großbritannien gewesen, weil es eine Brüskierung für die neuen EU-Länder und eine Beleidigung für die neue deutsche Kanzlerin bedeutet hätte. Angela Merkels Rolle als ehrliche und unabhängige Vermittlerin war wohl das bemerkenswerteste Ergebnis des Gipfels.“
Auch der Guardian lobt Merkel. „Während in Europas großen Ländern Politiker regieren, die am Ende ihrer Amtszeit stehen, hat das Auftauchen einer neuen Figur mit frischer Herangehensweise die Dynamik verändert“, schreibt die Zeitung. „Merkel hat auf dem Gipfel zwei Dinge getan: Sie war konstruktiv, und sie war nicht Gerhard Schröder.“ Allerdings, so vermutet der Guardian, könnte der Kompromiss den Streit zwischen Blair und seinem Schatzkanzler und designierten Nachfolger Gordon Brown wieder anheizen, weil der nun eine Milliarde Pfund im Jahr anderswo auftreiben muss.
Blair wurde zu Hause denn auch nicht als Sieger empfangen, nachdem er auf Rückzahlungen von 10,5 Milliarden Euro aus dem EU-Topf verzichtet hat. Ex-Tory-Chef William Hague sagte, Blair habe „spektakulär versagt“, weil er „für sein Geld keine Garantie bei den Agrarsubventionen“ erhalten habe, sondern lediglich das vage Versprechen eines künftigen Reformprozesses. Menzies Campbell von den Liberalen Demokraten sagte, der Haushaltskompromiss sei „das tief enttäuschende Ende der britischen EU-Präsidentschaft“. RALF SOTSCHEK