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Archiv-Artikel

taz-serie fröhliche weihnachten (teil 3): wie eine wilde mischung aus vielen religionen alle glücklich macht Feiern wie in Bollywood: Mit Buddha unterm Weihnachtsbaum

„Die Frage an Weihnachten ist: Was ist die Idee, und was machen die Menschen draus?“, sagt der Bahá’i Peter Amsler

Berlinerinnen und Berliner verschiedener Religionen, Lebensstile und Generationen entwickeln neue und eigene Formen, Weihnachten zu feiern. Die taz stellt einige davon vor.

Auf dem Küchentisch der gemütlich bunten Wohnung, in der Peter Amsler mit seinen zwei Kindern Mercedes und Jose-Luis lebt, steht eine kleine Krippe. Das Häuschen ist aus Pappe, die Figuren sind von Playmobil. Der Adventskalender, aus dem die Teile stammen, hängt darüber an der Wand. Er und die kleine Krippe sind in der Wohnung der Amslers die einzigen Hinweise darauf, dass bald Weihnachten ist.

„Den Kalender haben die Kinder geschenkt bekommen“, sagt Amsler, „schauen Sie ihn mal ganz genau an.“ Erst auf den zweiten Blick fällt auf: Zu der Playmo-Krippe gibt es kein Christkind. Stattdessen gehört ein Nikolaus dazu. Weißbärtig steht er zwischen den Tieren im Stall und bringt ihnen Geschenke. „Da sehen Sie das Unklare an Weihnachten“, sagt Amsler. „Was ist die Idee des Festes, und was machen die Menschen daraus?“

Amsler, allein erziehender Vater von zwei Kindern, ist einmal Christ gewesen, Katholik. Heute ist der 35-Jährige Bahá’i. 1996 ist er konvertiert. Die Bahá’i-Religion wurde im 19. Jahrhundert in Persien begründet. Der Religionsstifter Bahá‘u‘lláh verkündete seine Offenbarung als Nachfolge der früheren monotheistischen Religionen. Er wurde deshalb verfolgt und verbannt. Heute gibt es weltweit fünf Millionen Bahá’i, in Berlin leben davon 200.

Den höheren Sinn von Weihnachten als Fest der Liebe erkenne er an, sagt Amsler. „Wir Bahá’i glauben ja nicht, die Weisheit allein gepachtet zu haben.“ Er sei aber froh, dieses Fest nicht mehr feiern zu müssen. Seinen Kindern will er das Weihnachtenfeiern aber nicht verbieten. Sie fahren über die Feiertage zu ihrer Mutter. „Dort gibt es einen Weihnachtsbaum mit Kugeln und echten Kerzen, und Geschenke gibt es auch“, erzählt Amslers acht Jahre alte Tochter Mercedes. Trotzdem ist auch dieses Weihnachtsfest speziell. Denn Peter Amslers frühere Ehefrau ist ebenfalls keine Christin mehr. Die gebürtige Peruanerin konvertierte zum Buddhismus, und deshalb lauschen Mercedes und ihr sechsjähriger Bruder Jose-Luis beim Weihnachtsfest nicht christlichen Gebeten, sondern buddhistischen Rezitationen.

Für Mercedes ist diese Mischung überhaupt nichts Besonderes. Die Achtjährige kennt noch viel mehr religiöse Feste. Sie besucht die deutsch-türkische Europa-Schule in Kreuzberg. Dort werden christliche und islamische Feiertage gefeiert. Zur Weihnachtszeit basteln die Kinder Sterne, zum muslimischen Opferfest Schäfchen aus Pappe, und zum Zuckerfest am Ende des Ramadan gibt es Körbchen mit Bonbons.

An den Bahá’i-Feiertagen besuchen die Kinder mit ihrem Vater die Gemeinde. „Die Kinder spielen dort eine wichtige Rolle“, erzählt der. „Sie führen kleine Theaterstücke über das Leben unseres Religionsstifters Bahá‘u‘lláh auf, es wird viel gesungen und gelacht.“ Geistliche gibt es nicht: „Die Bahá’i kennen keinen Klerus und auch keine Sünde“, sagt Peter Amsler. Im strengen Sinne gehören Mercedes und ihr kleiner Bruder gar nicht zur Gemeinde. Erst wenn sie im Alter von 15 Jahren erklären, dass sie Bahá’i sein wollen, werden sie Mitglieder der Glaubensgemeinschaft.

Wenn sie sich anders entscheiden würden – Peter Amsler könnte damit leben. Einen Weihnachtsbaum würde er sich trotzdem nicht in die Wohnung stellen. Doch in diesem Jahr, wenn Mercedes und Jose-Luis bei der Mutter sind, wird er vielleicht den Weihnachtsgottesdienst bei den Franziskanern besuchen. Nur der Bollywood-Film, der Heiligabend im Fernsehen gezeigt wird, könnte ihn davon noch abhalten. Denn „Bollywood“, sagt Peter Amsler, „das ist wie Bahá’i: voller Liebe.“ ALKE WIERTH