: Terrorverdächtiger muss nicht hungern
Da er auf einer UN-Sanktionsliste stand, bekam ein Islamist keine Sozialleistungen. Nun hat er eine Sondererlaubnis
FREIBURG taz ■ Der Hamburger Islamist Mamoun Darkazanli bekommt wieder Arbeitslosen-geld II. Ende Oktober waren die Leistungen eingestellt worden, weil Darkazanli auf der UN-Liste der Terrorverdächtigen steht. Jetzt hat er eine Ausnahmegenehmigung der Bundesbank, die es ihm erlaubt, „Sozialleistungen zur Bestreitung von Grundausgaben“ zu erhalten.
Die internationale Liste der Terrorverdächtigen wird vom UNO-Ausschuss für Sanktionen erstellt und per EU-Verordnung in verbindliches Recht umgesetzt. Um dem Terror die Finanzquellen abzuschneiden, darf an die Menschen auf der Liste grundsätzlich kein Geld fließen und ihre Konten werden eingefroren.
Darkazanli, der deutscher Staatsbürger ist, verfügt über vielfältige Kontakte ins Al-Qaida-Milieu und war auch mit den Hamburger Attentätern des 11. 9. gut bekannt. So geriet er auf die UN-Liste. Ende Oktober stellte deshalb die Hamburger Arge, die das ALG II in der Hansestadt abwickelt, die Zahlung an Darkazanli ein. Auch seine deutsche Frau sollte nichts mehr bekommen, damit sie ihren Mann nicht finanziell unterstützt (s. taz 29. 11. 2005). Das Ehepaar Darkazanli lebte einstweilen von den Vorräten im Küchenschrank.
Mit einem der taz vorliegenden Bescheid hat aber die Bundesbank inzwischen Darkazanli eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Auch der UNO-Sanktionsausschuss hatte der Ausnahme zugestimmt. Darkazanlis ALG II wird nun rückwirkend zum 1. November nachgezahlt. „Der Rechtsstaat funktioniert noch“, sagte Darkazanlis Anwalt Joachim Schaller. Die Bundesbank ist zuständig, weil sie die eingefrorenen Konten der Terrorverdächtigen verwaltet.
Auch Darkazanlis Frau bekommt ALG II nachgezahlt. In ihrem Fall gab es nicht einmal eine Rechtsgrundlage für das Aussetzen der Sozialleistung, da sie nicht auf der UNO-Liste aufgeführt ist. Auf Antrag von Anwalt Schaller hatte deshalb das Sozialgericht Hamburg schon im November eine einstweilige Anordnung erlassen, die auch vom Landessozialgericht bestätigt wurde.
Bald muss Darkazanli allerdings mit seiner Auslieferung nach Spanien rechnen, wo er wegen seiner Al-Qaida-Verwicklungen angeklagt werden soll. Er dürfte in Auslieferungshaft kommen, sobald der Bundestag das Gesetz über den EU-Haftbefehl novelliert. Das Bundesverfassungsgericht hatte das Gesetz im Juli für nichtig erklärt, weil es Deutsche zu wenig vor der Auslieferung wegen Taten mit überwiegendem Inlandsbezug schütze. Darkazanli werden allerdings Aktivitäten in Spanien vorgeworfen, sodass ihm die Neufassung des Gesetzes wohl nichts nützen wird. CHRISTIAN RATH