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Archiv-Artikel

Bergbau-Boom fordert nächstes Umwelt-Opfer

GIFT Schon wieder verseucht die Nickel-Grube Talvivaara in Finnland das Wasser in der Gegend

STOCKHOLM taz | Erneut ist ein riesiges Abwasserbecken in Europas größtem Nickel-Tagebau, der Grube Talvivaara in Nordostfinnland, gebrochen. Zwischen Sonntagabend und Dienstag flossen daraus nach Angaben der Betreiberfirma rund 400 Millionen Liter schwermetall- und uranhaltige Brühe aus. Bereits im November letzten Jahres hatte es eine solche Giftflut gegeben. Damals waren die Wände desselben Beckens gebrochen und 800 Millionen Liter ausgetreten, die weitflächig Wasserläufe und Seen kontaminiert hatten.

Die Betreiber der Grube hatten erst gemerkt, dass es aus dem eis- und schneebedeckten Becken leckte, als die Brühe das übrige Grubengelände bereits überschwemmte. Das gesamte Becken fasste rund 620 Millionen Liter Klärwasser aus der Nickelproduktion, bei der in Talvivaara große Mengen schwermetallhaltiger Abwasser freigesetzt werden. Laut Talvivaara-Informationschef Olli-Pekka Niskanen hofft man die Brühe innerhalb des eigentlichen Grubengeländes halten zu können. Für Anwohner und Umweltschützer ist das ein schwacher Trost: Das Grubengelände und der Tagebau, in den es gepumpt werden soll, sind anders als die Klärbecken selbst nicht abgedichtet, so dass die Giftbrühe jedenfalls in den Boden eindringen wird und das Grundwasser bedroht.

Das Grubenunternehmen habe mit diesem vierten Leck in fünf Jahren nun endgültig bewiesen, dass es keine Kontrolle über die Technik habe, erklärte Juha Aromaa, Sprecher von Greenpeace Finnland. „Das kann nicht ohne Konsequenzen bleiben.“ Die Behörden müssten die Nickelproduktion endgültig stoppen und das Gelände sanieren. Zumal ein amtlicher Untersuchungsbericht über das November-Leck bereits auf schwere Verstöße gegen Umweltauflagen und auf überforderte und inkompetente Behörden verwiesen habe.

Eine Schließung der Grube hatte der grüne Umweltminister Ville Niinistö schon vor Monaten gefordert. Doch der Staat ist über seine Anteilsgesellschaft „Solidium“ selbst ein Großaktionär von Talvivaara, und der Streit um die Grube teilt nicht nur die Regierung, sondern auch die grüne Regierungspartei.

Talvivaara ist Teil eines Grubenbooms, der von Helsinki mit großzügigen Genehmigungen und niedrigen Steuern gefördert wird. So großzügig, dass Finnland kürzlich von der Grubenbranche zum weltweit attraktivsten Land für Investitionen gekürt wurde: ausdrücklich auch deshalb, weil man es dort mit Umweltauflagen „nicht übertreiben“ würde.