BERLINPASS : Tickets ein Euro
Es ist Anfang des Monats und vor dem Kiosk auf dem U-Bahn-Steig Rathaus Neukölln ist nichts los. Stattdessen steht eine Menschentraube um die junge Frau vor den Fahrkartenautomaten. Sie verkauft gebrauchte Tickets für einen Euro. Januar scheint kein Vielfahrer-Monat zu sein. Anfang Dezember war hier kein Durchkommen gewesen. Das Sozialticket kostete 18,50 Euro, etwa die Hälfte des regulären Preises. Ausnahmsweise lohnte es sich zuzugreifen.
Viele Leute hatten sich schnell noch den zum Kauf des Tickets notwendigen Berlinpass im Bürgeramt besorgt. Ich auch. Um nicht das große Amtsgebäude im Rathaus zu verstopfen, hat man die Berlinpass-Anwärter in die Außenstelle Sonnenallee verbannt. Damit dort noch normaler Betrieb möglich blieb, war der Wartesaal tabu. Statt auf roten Plastikschalen sitzend zu warten, standen die Wartenden in einer langen Schlange ein halbes Stockwerk durch das Treppenhaus, ein paar Meter in den Wartesaal hinein und wieder hinaus, durch einen Flur, über eine Stufe und um zwei Ecken in den kleinen Raum „Information“. In der Information arbeitet ein langsamer Herr hinter einem alten Pult. Wortlos reichen ihm die, die an der Reihe sind, ihren ALG-Bescheid, Pass und Passfoto. Wortlos tackert der Herr das Foto in den Berlinpass aus Pappe. Als ich aus dem stickigen Raum hinaustreten wollte, war kein Durchkommen: Kleinkinder, Rollstühle und Kinderwagen wurden über die Treppen und um die Ecken gehievt, Alte saßen auf den Stufen.
Jetzt stehe ich alleine am U-Bahn-Kiosk. Als ich schweren Herzens das Sozialticket bezahle, ertönt eine Durchsage. Auf der U-Bahn-Linie U7 komme es zu Verzögerungen. In Kürze ist es auf dem Bahnsteig so voll wie im Bürgeramt Anfang letzten Monats. Nächsten Monat werde ich, den Angeboten der BVG entsprechend, wieder auf Tickets zweiter Wahl umsteigen. SONJA PLUME