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Archiv-Artikel

Krimi-Connection auf Betriebsausflug

EXOTIK Bella Block in Afrika: „Ellas Geheimnis“ (20.15 Uhr, Arte) bedient Klischees und bricht sie doch

Zu den vielen Paradoxa der Filmgeschichte gehört, in welch besonderer Weise ausgerechnet Afrika, dieser ärmste und elendste aller Kontinente, als Sehnsuchtsort inszeniert wird. „Mogambo“, „Hatari!“ und „Out of Africa“ sind nur die bekanntesten Beispiele herausragender – amerikanischer – Regisseure. Gleich danach kommen die deutschen Filmschaffenden. Die Academy Awards für „Nirgendwo in Afrika“ und „Serengeti darf nicht sterben“ bedeuten für Afrika einen erstaunlichen Stellenwert in der deutschen Oscar-Bilanz.

Dabei folgt die Mehrzahl der Afrika-Filme einem bewährten Rezept. Man nehme: die – keine Frage – malerische Landschaft des entweder östlichen oder südlichen Afrika, mittendrin eine kleine Farm (die Totale vom Sonnenuntergang ist schon fast die halbe Miete); ein hellhäutiges, hellhaariges, blendend schönes Prinzesschen europäischer oder amerikanischer Abstammung (die Szene mit ihr allein unter vielen, sie umringenden Schwarzen ist die andere Miethälfte); einen Allan-Quatermain-Typen, ein männliches Raubein, als Beschützer für das Prinzesschen; ein paar wilde Tiere und edle Wilde, die der Film nicht diskriminieren will, die sich aber selbst einfach nicht zu helfen wissen und dafür die weißen Besucher brauchen; und natürlich viel Liebe – des Prinzesschens zur alten oder neuen afrikanischen Heimat und zu einem Mann, entweder dem Quatermain-Typen oder, in neuerer Zeit, zum edlen Wilden. Im besten Fall ist das Ergebnis dann ein anrührendes Melodram, meistens ein melodramatisches Rührstück.

„Die weiße Massai“ liegt nun schon ein paar Jahre zurück, aber im deutschen Fernsehen ist in diesen Wochen eine gewisse Häufung von Afrika-Filmen zu beobachten. Gerade erst durften Christine Neubauer („Meine Heimat Afrika“) und Jasmin Gerat („Ausgerechnet Afrika“) das Prinzesschen verkörpern – okay, beide sind nicht ganz so hellhaarig – heute nun ist Hannelore Hoger an der Reihe. Und weil sie nicht mehr wirklich als Prinzesschen durchgeht, hat der Film viele überbelichtete Rückblenden. Diese führen in das Südafrika zu Zeiten der Apartheid und erzählen von einer damals verbotenen Backfischliebe und deren noch verboteneren Frucht: Ellas Geheimnis – das zu lüften die Hoger nun in der Gegenwart in die afrikanische Heimat zurückkehrt.

Der Grimme-Preis-prämierte Regisseur Rainer Kaufmann und die Drehbuchautorin Stefanie Sycholt verstehen ihr Handwerk und folgen dem Rezept. Was ihre Variante des Afrika-Films interessant macht, ist die Kombination aus besagten zwei Zeitebenen und der Besetzung, der Gegenüberstellung von jugendlichem Prinzesschen-Stereotyp (Amelie Kiefer) und Hannelore Hoger als Anti-Prinzesschen: patzig, pampig, verbittert. Hoger ist Bella Block in Afrika. Ihr neuer Edel-Assistent: Kurt Wallander. Denn dessen bekanntester Darsteller, Rolf Lassgård, legt den Quatermain-Typen genauso hemdsärmelig an wie den schwedischen Kommissar. Die nordeuropäische Krimi-Connection auf Betriebsausflug in Südafrika, das hat seinen Reiz. Aber ein anrührendes Melodram? Ist das eher nicht. JENS MÜLLER