leserinnenbriefe :
Geld für Volksverdummung
■ betr.: „FDP unter Korruptionsverdacht“, taz vom 19. 1. 10
Diese seltsame, natürlich rein zufällige Großspende eines Hotelkonzerns in zeitlichem Zusammenhang mit der Senkung der Mehrwertsteuer sollte Anlass sein, über ein Verbot von Parteispenden nachzudenken, die über Mitgliedsbeiträge hinausgehen. Denn wofür wird das viele Geld denn ausgegeben? Zum größten Teil doch für Volksverdummung auf Großplakaten mit oberflächlichen, verkürzenden Slogans. Um die Wähler über das jeweilige Programm zu informieren, reicht die staatliche Wahlkampfkostenerstattung.
ALFRED MAYER, München
Spendengelder spenden
■ betr.: „FDP unter Korruptionsverdacht“, taz vom 19. 1. 10
Die FDP würde dann Größe zeigen, wenn sie mit dem Geld etwas Gutes bewerkstelligen würde – indem sie es spendet. Mein Vorschlag: In Haiti kann in diesen Tagen sehr viel mit diesem Geld angefangen werden. Die FDP müsste darüber doch besonders gut informiert sein. Schließlich kommt der Entwicklungshilfeminister doch aus den eigenen Reihen. TIM C. SCHMITZ, Stolberg
Interessenverflechtungen
■ betr.: „Wir werden genug beschimpft“, taz vom 19. 1. 10
Die drohende Nichtverlängerung des Vertrages von Herrn Sawicki erinnert fatal an die Causa Brender. Wiederum soll ein verdienstvoller Leiter aus politischen Gründen aus dem Amt gedrängt werden. Nur hier ist die Sache noch weitaus gravierender, denn bei der Besetzung einer solchen Stelle sollte doch in erster Linie wissenschaftliche Eignung im Vordergrund stehen. Hier zeigt sich wieder einmal die Interessenverflechtung der derzeitigen Regierung mit der Pharmaindustrie, der das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitsbereich“ und besonders dessen Leiter schon lange ein Dorn im Auge sind. In diesem Institut wird der Nutzen eines Medikaments unabhängig von den Pharmafirmen beurteilt, was oft nicht zu der von den Firmen gewünschten Kassenzulassung oder auch zu Preisreduzierungen führt. Nun soll nicht nur der Leiter des Instituts ausgewechselt werden, sondern es wird von den Politikern auch eine „Neuausrichtung“ des Instituts gefordert. Das bedeutet also, dass in Zukunft eine weniger rigide Prüfung neuer Medikamente erfolgen soll, auf dass sich der Profit der Pharmaindustrie erhöhe. Der Schaden, der den Krankenkassen und somit den PatientInnen dadurch entstehen würde, ist kaum absehbar. Die Mehrkosten gehen dann natürlich voll zu Lasten der Versicherten in Form von Zuzahlungen zu den Kassenbeiträgen. Haben hier nicht auch die Funktionäre der Krankenkassen ein Wort mitzureden?
HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel
Frauen sollten hoffen dürfen
■ betr.: „Armut ist sehr heterogen“, taz vom 16. 1. 10
Frauen sollten hoffen dürfen, dass bei der Erwähnung von „heterogen“ auch ihre Lebenslagen angemessen dargestellt werden. Stattdessen deutet hier alles darauf hin, dass sie darin eher verschwinden.
Dafür spricht Markus Promberger im Rahmen von Hartz IV davon, dass „wir uns überlegen müssen, wie wir Lebensleistungen respektieren“. Darüber hinaus geht es ihm um nicht weniger als die „Armutsbekämpfung als Menschenrecht“ – nachdem er festgestellt hat, dass es Menschen gibt, denen „der Anschluss an die Erwerbswelt über eine Ausbildung nicht gelungen ist“ … folgt: „Manche haben nie arbeiten können.“ Menschen …, manche … und welche und wessen Arbeit? Konkrete Erwähnung finden immerhin die Kriegsversehrten, das Alter und die Krankheit, „aber auch Erziehungsarbeit“ (in bekannter Reihenfolge und Anordnung) – nachdem Barbara Dribbusch darauf hinwies, dass Alleinerziehende auch eine Lebensleistung bringen. Darüber hinaus dürfte nicht ganz unbekannt sein, dass diese Arbeit bei näherem Hinsehen auch bei Paaren sozialhistorisch und vielfach immer noch belegbare Schieflagen hat und hatte, in Krisen- und Trümmerzeiten sogar gänzlich verdrehte mit entsprechenden Nachwehen. Promberger: Früher gab es einen „breit gefächerten Kosmos (!) auf Versorgungsansprüche…“, dann erwägt er, „die Regelsätze für Kinder zu erhöhen“. Und dazwischen? Doppelbelastung, Zuverdienst oder schlechtere Bezahlung, Auszeiten, Teilzeit, schlechtere Aufstiegsmöglichkeiten, Kleinstrenten: massenhaft weibliche Armut im Schatten des Erwerbsmarktes. Hat der Sozialhistoriker mal in die nach Geschlechtern sortierten Statistiken geguckt? Weit davon entfernt, die Hausfrauenehe wiederzubeleben, sollten ihre Arbeitsfelder und Auswirkungen aber auch nicht zugedeckt werden (bewusst oder unbewusst). Anerkennung für die Lebensleistung ist auch in Zukunft unmöglich nur für den Erwerbsteil einzufordern. Keine Gesellschaft lebt nur von der Produktion bzw.ohne dessen Grundlagen.Wir brauchen gleichberechtigte existenzschaffende Maßnahmen, z. B. durch gerechte Verteilung der bezahlten und nicht finanzierbaren Arbeit, Auflösung des faktischen Vorrechts auf Vollbeschäftigung bei Männern bzw. Verteilung der Arbeitszeiten auf beide Geschlechter (ähnlich bereits in den 80ern gefordert auch deren Kürzung – anstelle von Kurzarbeit) – und, damit das funktionieren kann, last but not least: mehr Qualifizierung für pflegerische, erzieherische und dergleichen mehr Arbeiten, vor allem für den Nachholbedarf von Männern (damit sie z. B. nicht nur im Fernsehen kochen oder zu Hause gleich Bücher schreiben, deren Inhalt man Frauen nie zugetraut hätte). Dann würde auch dieses Interview sicher anders aussehen. HEILWIG KÜHNE, Fischerhude