Metropolit mit viel Gefühl

Kopflos sind seit Ende vergangener Woche die orthodoxen Christen Tschechiens und der Slowakei. Seine Seligkeit Metropolit Christoph, Oberhaupt des autokephalen orthodoxen Erzbistums Tschechiens und der Slowakei, ist zurückgetreten. Einem Bericht des tschechischen Boulevardsenders TV Nova zufolge unterhalte er gleich mehrere Liebschaften, dank derer er bis zu zehn Kindern haben soll.

Schon Anfang April hatte eine Untersuchung der Kirchensynode zwar festgestellt, dass es für diese Anschuldigungen keine „direkten Beweise“ gebe und dass sie „absolut nicht auf wahren Fakten“ basierten. Sein Amt legte der 59-jährige Erzbischof dennoch nieder. Ihm sei vor allem an der Einigkeit seiner Kirche gelegen, erklärte er und kündigte an, den Rest seines Lebens in einem Kloster zu verbringen. „Ich liebe die Kirche“, sagte Christoph zu seinem Rücktritt.

Schon als Kind war Christoph, der als Radim Pulec in eine tiefgläubige altkatholische Familie hineingeboren wurde, von der orthodoxen Kirche und ihren Riten fasziniert. Nach dem Theologiestudium in Prag, dem weitere Studien in Athen und Moskau folgten, wurde Pulec 1974 zum Priester geweiht. In den 1980er Jahren lebte er vier Jahre im griechischen Kloster Zoodochopigi.

Zurück in Böhmen folgte eine Bilderbuchkarriere in der orthodoxen Kirche, die in Tschechien etwa 100.000 Gläubige umfasst. Ihren ersten Höhepunkt fand sie 1988 in der Weihe Christophs (den Namen trägt er seit 1985) zum Bischof von Olmütz-Brünn – ein Amt, das er bis zu seiner Wahl zum Erzbischof von Prag und damit zum Oberhaupt der orthodoxen Kirche in Tschechien im Jahre 2000 innehatte.

„Er ist uns immer ein guter Hirte gewesen“, bedauern nun viele auf Facebook den Abgang des Metropoliten. An dessen Affären will keiner von ihnen so recht glauben. Gemunkelt wird dagegen, nicht „Dornenvögel“ hätten Erzbischof Christoph zu Fall gebracht, sondern Geier: Im Rahmen der vor Kurzem vom tschechischen Parlament beschlossenen Kirchenrestitution soll die orthodoxe Kirche Gebäude, Gegenstände und Ländereien im Wert von einer Milliarde Kronen (40 Millionen Euro) zurückerstattet bekommen.

SASCHA MOSTYN