: Ein entzweites Feld
GENMAIS Acht AktivistInnen stehen in Braunschweig vor Gericht, weil sie im April 2009 das Versuchsfeld eines Bundesinstituts besetzten. Dessen Chefin, Agrarministerin Aigner, hatte kurz zuvor eine Genmais-Sorte verboten
Das Johann Heinrich von Thünen-Institut ist eines von vier Bundesforschungsinstituten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
■ Zum 1. Januar 2008 wurde das Institut errichtet. Sein Namensgeber ist der Agrarwissenschaftler und Wirtschaftsgeograf J. H. v. Thünen (1783–1850).
■ Das Institut forscht fachgebietsübergreifend in der Land-, Forst-, Holz-, Ernährungs- und Fischwirtschaft. Themen: Technologie, Klima, nachwachsende Rohstoffe, Biodiversität, Landbau.
■ Hauptsitz ist Braunschweig. Weitere Standorte im Norden befinden sich in Cuxhaven, Hamburg, Ahrensburg, Großhansdorf, Trenthorst und Rostock.
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Die Liste der Vorwürfe ist lang: Hausfriedensbruch, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Sachbeschädigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – und das niedersächsische Waldgesetz wurde ebenfalls missachtet. So steht es in der Anklage gegen acht Männer und Frauen, die aktiv gegen Genmais zu Felde ziehen. Und weil sie das vor einem Dreivierteljahr im Wortsinn taten, müssen sie sich ab Donnerstag in Braunschweig vor dem Landgericht verantworten.
Im April vorigen Jahres hatte die Gruppe Äcker auf dem Forschungsgelände des Johann Heinrich von Thünen-Instituts (VTI) nahe Braunschweig (siehe Kasten) besetzt. Dort sollte gentechnisch veränderter Mais des umstrittenen US-Saatgutkonzerns Monsanto ausgesät werden. Ziel des Experiments sei zu ergründen, erläutert Institutssprecher Michael Welling, „wie sich dieser Mais im Vergleich mit gentechnisch unverändertem Mais verhält“.
Dabei habe es sich aber nicht um die Sorte MON 810 gehandelt, die kurz zuvor von Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) verboten worden war. Diese produziert nach einer Genveränderung ein Gift gegen bestimmte Schädlinge. Aigner hatte darin erhebliche Risiken „für Tiere und Pflanzen“ gesehen.
Das Experiment in Braunschweig sei „wichtig für die Sicherheitsforschung“, so Welling. Ein häufig vorgebrachtes Argument sei, dass man zu wenig über Umweltgefahren der Gentechnik wisse. Gerade deshalb müssten Versuche, die dies klären sollen, möglich bleiben, findet der Institutssprecher: „Sonst beißt sich die Katze argumentativ in den Schwanz.“
Das sehen die acht AktivistInnen vollkommen anders, die am 24. April 2009 die Äcker des Instituts besetzten. Sie campierten in Zelten auf der Fläche und brachten einen etwa eine Tonne schweren Betonblock mit – wie, haben sie bis heute nicht verraten. An diesem ketteten sie sich an, als die Besetzung nach drei Tagen von der Polizei beendet und das Feld geräumt wurde. „Zweieinhalb Stunden haben die fluchend mit Presslufthämmern an dem Block herumgemeißelt“, berichtet Jörg Bergstedt, einer der acht AktivistInnen, die nun vor Gericht stehen.
Zunächst hatte das VTI die Besetzung ebenso geduldet wie eine Mahnwache von Unterstützern. Letzteres sei „legitim“, sagt Welling. „Aber die zunehmende massive Störung der Arbeitsabläufe auf dem Institutsgelände konnte nicht weiter hingenommen werden.“ Die Protestierer hätten Gräben gezogen und Stroh verteilt, „was die Feldbestellung erschwert“. Damit seien die Voraussetzungen für eine Duldung entfallen. Es habe nie eine Zustimmung zur Besetzung gegeben, heißt es in der Klageschrift, sondern nur tageweise den Verzicht auf ein Räumung. „Uns lag von Anfang an daran, dass die Lage nicht eskaliert“, beteuert Welling.
Weil aber zudem der Zaun um das Gelände und am Tor ein Schloss beschädigt worden seien, verlangt die Bundesanstalt auch Schadenersatz in Höhe von 2.160 Euro von den acht AktivistInnen. Bergstedt hat „keine Ahnung“, ob der Zaun beschädigt wurde und von wem.
Er will vor allem gegen das ebenfalls beantragte „Betretungsverbot“ vorgehen. „Das ist völlig absurd.“ Denn den Gentechnik-Gegnern soll verboten werden, das Institutsgelände an der Bundesallee 50 zu betreten. Neben anderen Einrichtungen befindet sich dort aber auch das Bundesamt für Verbraucherschutz. „Es kann ja nicht angehen, dass die Regierung Bürgern den Zutritt zur Verbraucherberatung verbieten lässt“, findet Bergstedt. Auch Demonstrationen müssten dort zulässig bleiben: „Eine Bannmeile um ein Bundesinstitut ist nicht akzeptabel.“
Außerdem hat Jörg Bergstedt noch einen Trumpf im Ärmel. Am 10. März verhandelt das Verwaltungsgericht Braunschweig über seine Klage gegen Räumung des Institutsackers. Denn die, glaubt Bergstedt, „war rechtswidrig“.