: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Schwarz-Grün in Baden-Württemberg wird es nicht geben, die nächste Gesundheitsreform hat das Zeug zur Sollbruchstelle für die große Koalition, und vielleicht gibt nach der WM auch Klinsmann al-Dschasira ein Interview
taz: Was war schlecht im letzten Jahr?
Friedrich Küppersbusch: Zeitgenossen tun sich schwer damit, dass das gekonnte Hinschmeißen keine deutsche, aber eine moderne politische Tugend ist. Man wird den Abgang von Rot-Grün später konsequent und vernünftig nennen.
Was wird besser in diesem?
Hirschfreie Politik, zwar aus Mangel an selbst ernannten Zwanzigendern, aber immerhin.
Im März wählen Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Gilt das Gesetz noch, dass eine große Koalition die Ränder stärkt?
Es hat bereits gewirkt, mit NPD-Erfolg und Linkspartei während der informellen Großkoalition zuvor. Nun sind wir in der Phase Woll’n-mal-gucken-was-dann-kommt. Ich kann mir ein gewisses Rollback zur SPD vorstellen, was ein nicht unüblicher Reflex nach Machtwechseln im Bund ist, so ’ne Kondolenzwahl. Hut ab, wie Schröder gegen diesen Effekt kämpft.
Verlieren CDU oder SPD bei den Landtagswahlen stark, wird es in Berlin wackeln. Wo ist die Schmerzgrenze?
Bei der Union ist das Mobbingpotenzial gegen Merkel sicher höher; bei der SPD nähert sich die Zahl der Exvorsitzenden der Mitgliederzahl.
Über Schwarz-Grün in Stuttgart wird bestimmt viel geredet. Wird was draus?
Die Union wird’s nicht machen, bevor sie’s muss, und dass sie’s muss, da sei die FDP vor. Mitregieren um jeden Preis ist ein Alleinstellungsmerkmal, das die Grünen ihr lassen sollten.
Die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag ist dabei, sich selbst zu zerlegen, wie es rechtsextremistischer Brauch ist. Also Entwarnung, oder ist es dafür zu früh?
Das Spiel „Sehr viele Deppen rein, eine Hand voll Deppen wieder raus“ umkreist ja nur die darin enthaltene Zahl harter Nazipolitiker und ihrer Anhängerschaft. Und ich habe keine Neigung, Leute jetzt schon deshalb nett zu finden, weil sie eher mit der „AG kritischer Demokraten in der NSDAP“ sympathisieren. Die Zersplitterung in Rechtsspießer-Taliban und Jungdilettanten auf der einen Seite und auf der anderen das nach Herrentoilette müffelnde Aroma ihres Führungspersonals – das sind zwei Gottesgeschenke, die andauern mögen.
Das Schicksal der Regierung wird wie immer vor allem an Wirtschaft/Arbeitslosigkeit hängen. Hat sie genug und das Richtige getan, damit der Aufschwung 2006 kommt?
Bisher hat sie dem Nachruhm Clements kein wesentliches Hindernis in den Weg gestellt, ja.
Die große Koalition will bis zum Sommer eine Gesundheitsreform stemmen, die eigentlich nicht geht, weil SPD-Bürgerversicherung und CDU-Kopfsteuer sich ausschließen. Was wird daraus?
In diesen Konflikt wird hinein kommentiert, man habe sich hier eine Sollbruchstelle für die große Koalition zurecht gelegt. Ja nun – selbst wenn sie diese Sollbruchstelle nicht wollen, hätten sie keinen Lösungskorridor. Prognose: Man wird sich gar nicht oder zum x-ten Male einigen, die Pharmalobby und den Verwaltungswasserkopf der Kassen unangetastet zu lassen, egal, wie das Modell hinterher heißt.
Große Koalition war in den 60ern gut für außerparlamentarische Bewegungen. Ist für 2006 irgendetwas an sozialen Bewegungen in Sicht?
Der „Krieg gegen den Terror“ hat bislang nicht diese Mobilisierung im Äußeren erweckt und die Wohlstandsverluste nicht im Inneren. Also noch kein Vergleich zu Vietnam und Nazi-Generationen-Abrechnung. Aber mit Brandt, wie er vor fast 30 Jahren sagte: Der wahre große Konflikt wird eben nicht Ost-West, sondern Nord-Süd heißen. Die Grünen könnten sich mal mit dem Eintreten des zweiten Teils dieser Weissagung befassen.
Wer wird der/die Politiker/Politikerin 2006?
Bleibt Merkel.
Und was macht die deutsche Fußballnationalmannschaft 2006?
Ich hoffe: Spazz. Freue mich aber auch, wenn Klinsmann voll gesichtsverhüllt in Florida al-Dschasira erklärt, warum er nicht nach Deutschland zurückwill und Bild was zum Schäumen hat. FRAGEN: SR