kritik der woche
: Großer Remixjux: „Männer 06“ am Staatstheater Hannover

Na, es geht doch. Publikumserfolg mit Ansage. Einfach dem Trendthemazwang nachgeben, auf die Euphorie um Peter Neururer (Hannover 96, Fußballmittelmaß) und Jürgen Klinsmann (Deutschland, Fußballweltmeister 2006) setzen. Und den theaterverliebten Musikus Franz Wittenbrink um eines seiner Markenprodukte bitten: wehmütige, witzige und sehnsuchtstolle Inszenierungen, die in süßer Melancholie schwelgen und das Allzumenschliche feiern. Zum Grinsen wahr, zum Heulen traurig – zum Tränenlachen komisch.

1997 hatte Wittenbrink am Deutschen Schauspielhaus Hamburg seine Technik, Rock und Schlager, Klassik und Volkslied kabarettistisch neu zu entdecken, gegen männliche Fußballfans gerichtet. Diese Erfolgsproduktion wurde vom Liederabend-Liebling der deutschen Bühnen jetzt fürs Staatstheater Hannover frisch gebügelt und neu geschminkt. Der Titel: „Männer 06“.

Ein Abend so nett, so unterhaltsam: zu schön, um wahr zu sein. Aber darum geht es auch gar nicht auf der Bühne, einer Stadiontribüne als Showtreppe in Betongrau und Sitzschalenplastikrot. Links hängen „Gilde“-Zapfhähne, rechts „Gilde“-Puller-Pissoirs. Die Szene: irgendein Fußballspiel, 89. Minute. Die erste Nummer der Revue ist gleich der musikalische Höhepunkt des Abends: Mozarts „Don Giovanni“-Ouvertüre, vom Darsteller-Oktett gesummt, gebrummt, getrötet, gestöhnt – beim Mitfiebern der letzten Angriffsbemühungen ihres Lieblingsteams.

Abpfiff. Heim : Gast = 0: 0. Kein Aufschrei. Keine Erlösung. Nur maulige Entgeisterung. Stille. In sich zusammensinken. Bis der Mann mit der Aktentasche charmant verdruckst „Ich bin ja so allein“ (Peter Kraus) intoniert. Daraufhin sinkt das Ensemble wieder zusammen. Bis zum nächsten gespielten Lied. Ein verlegenes „Und es war Sommer“ (Peter Maffay). Von rhythmisch pointiertem Schmatzen, Kotzen, Stampfen, Kopfnuss Austeilen oder „Uhuhuuuu“ grundiert.

Behält ein Bockwurstautomat die eingeworfenen Münzen und das Lebensmittel für sich, ertönt mitgefühlig für den betrogenen Mann in seinem Hunger: „You can‘t always get what you want“ (Rolling Stones). Und wie sich Queens „Another one bites the dust“ zum legendären „Mama“ verwandelt, das ist große Arrangierkomik, Remixjux-Kunst.

Am Piano animiert Wittenbrink die Kerle-Darsteller, den Cocker, den Albers, den Westernhagen und den Grönemeyer zu geben – immer putzig ins Parodistische überzeichnet. Dabei muss trotz der liebevollen Detailarbeit festgehalten werden: ob hart gekochtes Weichei oder weich gekochter Hard-Rocker, die Rollenspiele kommen nie über das Image der Songs hinaus. Die Bühnenfiguren verlieren durchs Singen zwar ihre Hemmungen, aber nie die Selbstkontrolle ihrer Klischeenatur, entsprechen also bis ins Detail vorgefertigten Meinungen. Wittenbrink wagt nicht – wie noch bei seinem ersten Liederabend-Triumph „Sekretärinnen“ – einen entlarvenden Blick unter die Oberfläche der Stereotypen, ist zu sehr Unterhaltungsfachmann, um ein Aufbrechen des Entertainments zu wagen. Ein Publikumserfolg mit Ansage. Warum auch nicht? Jens Fischer

nächste Termine: 7.1., 11.1. und 15.1.