: Verletzt, sediert und jetzt?
USA Die US-Ermittler hoffen, den überlebenden mutmaßlichen Bombenleger von Boston bald verhören zu können. Die Politik diskutiert, welche Rechte der 19-Jährige dabei hat
VON BERND PICKERT
BERLIN taz | „Er ist wach!“, titelte die Huffington Post am Montagfrüh. Gemeint war der 19-jährige mutmaßliche Bombenleger von Boston, Dschochar Zarnajew, der nach seiner Festnahme in der Nacht zum Samstag schwer verletzt und ohne Bewusstsein in einem Bostoner Krankenhaus auf der Intensivstation liegt.
In ersten Berichten hieß es, er „reagiere“ sporadisch und könne womöglich nicht sprechen. Ob oder wann die Ermittlungsbehörden ihn tatsächlich befragen können, blieb vorerst unklar. Genau wie die Herkunft seiner Schussverletzungen: Eine Verletzung am Hals sehe aus, als sei sie aus nächster Nähe mit aufgesetzter Waffe entstanden, hieß es, und lege nahe, dass er versucht habe, sich selbst umzubringen.
Sollte Dschochar Zarnajew, der jüngere Bruder des Donnerstagnacht bei einer Schießerei mit der Polizei getöteten Tamerlan Zarnajew, befragt werden können, dann geht die Debatte allerdings erst richtig los: Die Ermittler vom FBI legten nahe, ihn zumindest einige Tage über das Recht zu schweigen, sich nicht selbst zu belasten und anwaltlichen Beistand zu verlangen, im Unklaren zu lassen, um zunächst einmal an Informationen zu gelangen. Das sieht das US-Recht zwar vor, allerdings nur bei Gefahr im Verzug. Noch weiter gehen eine Reihe republikanischer Senatoren, allen voran Lindsey Graham aus South Carolina. Sie fordern, Zarnajew als „feindlichen Kämpfer“ zu behandeln, und ihn wie Taliban- oder Al-Qaida-Gefangenen nicht der US-Strafjustiz, sondern dem Militär zu übergeben. Dann könnte er, nach dem Vorbild der Guantánamo-Gefangenen, weitgehend rechtlos und ohne Anwalt verhört werden.
Dafür sehen allerdings weder die Demokraten noch die US-Regierung irgendeine Rechtsgrundlage. Zudem ist Zarnajew US-Staatsbürger. Selbst wenn, argumentieren die Demokraten, die Brüder Zarnajew als Islamisten aus politisch-religiösen Gründen zu ihrer Tat gekommen seien, so gebe es doch keinerlei Hinweise darauf, dass sie mit al-Qaida oder den Taliban verbündet seien, den einzigen Organisationen, mit denen sich die USA im Krieg befänden. Bislang haben die Ermittler auch keine Hinweise darauf, dass die beiden überhaupt mit weiteren Personen oder Organisationen zusammengearbeitet hätten. Sie erhoffen sich von seinem Verhör auch Aufschluss darüber, was er im vergangenen Jahr für sechs Monate in Dagestan gemacht habe.
Unterdessen geben die Ermittlungsbehörden laufend kleine neue Ergebnisse bekannt. So heißt es jetzt, das Waffenarsenal, das bei den beiden gefunden worden sei, deute darauf hin, dass sie weitere Anschläge geplant hätten.
Auch zum derzeit noch nicht bewiesenen Vorwurf, für die Marathonbomben verantwortlich zu sein, gibt es Neues. Auf einem Video vom Marathontag sei klar zu erkennen, wie der 19-Jährige seinen Rucksack abstelle und sich entferne, kurz bevor der Rucksack explodierte. Das Video beweise seine Beteiligung sehr klar, sagte Massachussettes’ Gouverneur Deval Patrick.