: Kühler Karrierist und linker Retter
Enrico Letta darf mit gerade mal 46 Jahren als junger Spund in Italiens Altherrenpolitik gelten. Jetzt schickt er sich an, zum zweitjüngsten Regierungschef seit 1945 zu werden. Doch ein grüner Junge ist Letta keineswegs. Seit Jahren schon gehört er unverrückbar zum Mobiliar des italienischen Politikbetriebs.
Letta startete seine Karriere noch in der Jugend der Democrazia Cristiana (DC), der Partei Aldo Moros und Giulio Andreottis, die 1992 unter der Last ihrer Korruptionsskandale zerbrach. Letta machte weiter in dem kleinen Partito Popolare, der sich auf die Seite der Linken schlug und gegen Berlusconi stellte. Schon 1996 wird er von der Regierung Romano Prodis zum Sekretär des „Euro-Komitees“ beim italienischen Schatzministerium berufen. Der studierte Politologe und promovierte Europarechtler ist ein glühender Verfechter des Beitritts Italiens zur Gemeinschaftswährung. „Euro sì. Sterben für Maastricht“ – heißt ein Buch, das er 1997 veröffentlichte.
1998 vollzieht er den nächsten Karrieresprung, wird erst Europaminister – und damit jüngster Minister seit 1945 – im Kabinett Massimo D’Alemas und ein Jahr später Industrieminister. Leiser Auftritt, ökonomische Kompetenz, dazu eine hervorragende Kenntnis der EU und ihrer Mechanismen machen ihn zu einem der angesehensten Fachpolitiker im Mitte-links-Lager. Romano Prodi sieht in ihm einen möglichen Kronprinzen und macht Letta für die Jahre 2006 bis 2008 zum Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten.
Auf diesem Posten übrigens beerbt er seinen Onkel Gianni Letta: Dieser war in den Vorjahren – und auch nach 2008 wieder – Staatssekretär und wichtigster Berater Silvio Berlusconis. Die direkte familiäre Schiene, dazu die Tatsache, dass Enrico Letta treuer Fan des Berlusconi-Clubs AC Mailand ist, gelten als beste Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Silvio Berlusconi. Wenigstens in einem Punkt trifft er sich auch inhaltlich mit dem Frontmann der italienischen Rechten, der jetzt wohl zu seinem Koalitionspartner wird: Unmittelbar nach Entgegennahme des Auftrags zur Regierungsbildung erklärte Letta, Europa brauche eine Abkehr vom Merkel-Kurs der harten Sparpolitik. MICHAEL BRAUN