Der Maasai und die befleckte Empfängnis

ERFOLG Sind afrikanische Viehhirten wegen Dürre und schlechten Marktbedingungen ewig zu Armut verdammt? In Kenia zeigt ein Farmer, wie die Einführung von Fleckvieh-Rindern den Viehzüchtern neue Perspektiven bietet

AUS OLOOLTEPES (KENIA) ILONA EVELEENS

Die Einführung von Fleckvieh in unsere Herde war die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben. Unsere Einnahmen sind seither sehr stark gestiegen“, erzählt Kakutia. Der kenianische Bauer, Manager der Farm Olooltepes, schaut zufrieden auf die Dutzende Kühe und Kälber auf seinen weiten Wiesen, bei Kiserian etwa 35 Kilometer südlich von Kenias Hauptstadt Nairobi.

Fleckvieh wird auch „Simmentaler“ genannt, ursprünglich aus der Schweiz stammend und in Süddeutschland verbreitet, hat aber in Afrika heute nur noch wenige Simmentaler-Gene. In Südafrika und Namibia schon länger verbreitet, kam die erste Fleckviehkuh vor vier Jahren nach Kenia, eines der wichtigsten Viehzuchtländer Afrikas mit offiziell über 17 Millionen Rindern, von denen aber lediglich rund 3 Millionen aus kommerziell nutzbaren Rassen stammen. Eine Kuh in Kenia gibt durchschnittlich 1.500 Liter Milch im Jahr – in Südafrika sind es 5.000.

Vier Fünftel der kenianischen Viehhalter sind Nomaden, die vor allem einheimische Boran-Rinder besitzen. Die geben wenig Milch und haben ein relativ geringes Gewicht, aber sie sind imstande, auf der Suche nach Wiesen und Wasser auf den oft durch Dürre geplagten Savannen sehr weit zu laufen. Sesshafte Farmer, die Vieh züchten, ohne damit umherzuziehen, bevorzugten bisher die holländische Friesische: Die gibt viel Milch, aber ist viel zu schwer, um weit zu laufen. Jetzt bekommt diese schwarz-weiße Rasse Konkurrenz durch das braun-weiße Fleckvieh.

Fleckviehkühe geben länger Milch als Friesische, sie haben mehr Fleisch, und durch ihre dicke Haut ist die Rasse weniger empfindlich für von Zecken und Tsetsefliegen übertragene Krankheiten. „Außerdem frisst Fleckvieh weniger, weil es ein sehr ökonomisches Verdauungssystem hat“, erklärt Kakutia.

Der Bauer wedelt mit seinen Armen und zeigt, wie die Farm Olooltepes in sechs große Wiesen unterteilt ist. Sie gehört einer Familie des Maasai-Nomadenvolkes, die das Wandern aufgegeben und sich Land gekauft hat. Bis vor vier Jahren brauchten die 150 friesischen Kühe auf der Farm jedes Jahr alle sechs Wiesen, um sich satt zu fressen. „Jetzt haben wir 200 Rinder, überwiegend Fleckvieh, und wir benutzen im Jahr nur vier Wiesen“, strahlt Kakutia. „Die anderen zwei mähen wir und verkaufen das Heu.“ Ein gutes Geschäft.

Kakutia sah sein erstes Fleckvieh 2009 auf einer Agrarmesse. Der Niederländer Gerard Besseling hatte es aus Südafrika importiert. Besseling hat nun die kenianische Abteilung von „Fleckvieh Genetics“ gestartet, einen Zuchtbetrieb für Fleckviehrinder. Mittlerweile sind in Kenia mehr als 25.000 Kälber aus importierten Samen von Fleckviehbullen geboren worden. „Je nachdem, von welchem Stier der Samen kommt, kostet eine Insemination zwischen 10 und 40 Euro“, erklärt der Niederländer. „Das ist für einen durchschnittlichen Bauern verkraftbar. Es ist eine Investition, weil der Nachwuchs mehr Milch und Fleisch produziert. Auch das Fell und die Haut des Tieres sind sehr gut benutzbar. In den meisten BMWs wird das Leder des Fleckviehs in den Sitzen verarbeitet.“

Besseling ist beeindruckt von der Herde auf Olooltepes. Er sieht darin den Beweis, dass die neue Zucht die Einkommen von Viehhaltern in Afrika verbessern kann. „Fleckvieh ist sehr nützlich sogar für einen Bauern, der nur eine Kuh hat. Schon beim ersten Nachkommen steigt der wirtschaftliche Wert.“

Die meisten Bauern in Kenia erwirtschaften mit ihren Feldern und Tieren gerade mal das Existenzminimum. Selten bleibt etwas übrig, um auf dem Markt zu verkaufen. In anderen afrikanischen Ländern ist es nicht anders. Die Steigerung der Agrarproduktivität, damit Bauern Überschüsse erwirtschaften, in ihre Kinder und Betriebe investieren und die lokale Wirtschaft ankurbeln können, gilt derzeit international als Priorität der Entwicklungspolitik in Afrika.

Kenias Regierung unterstützt die Verbreitung von Fleckvieh – mehrere hundert Maasai-Bauern sind mittlerweile dem Beispiel Olooltepes gefolgt. Und in ganz Afrika, von Algerien bis zur Elfenbeinküste, sind in letzter Zeit Züchtungen mit Fleckviehbesamung erfolgt. Die Tiere werden als „Zweinutzungsrasse“ angepriesen, die sowohl mit ihrer Milch als auch mit ihrem Fleisch den Bauern Geld bringen. Ihre Einführung soll den Sprung von einer auf Subsistenz und Kleinhandel zu einer kommerziell orientierten Landwirtschaft beschleunigen, ohne dass die Bauern ihre Autonomie als Unternehmer verlieren.

Leicht ist es nicht. Kenia ist eine äußerst konservative Gesellschaft. Bauern wie Viehhalter stehen Neuerungen skeptisch gegenüber. „Sie müssen die Vorteile mit eigenen Augen sehen können“, sagt Besseling. „Wir bringen ständig Interessierte aus dem ganzen Land nach Olooltepes. Und das sind nicht nur Männer. Eine Gruppe Maasai-Frauen nicht weit von hier will jetzt auch einige ihrer Kühe mit Fleckviehsamen befruchten lassen.“ Er will nun ein Institut gründen, damit er nicht ständig die Bauern in Olooltepes belästigen muss.

Manager von „Fleckvieh Genetics“ in Kenia ist der Tierarzt Anthony Gichohi. Er hat jahrelang mit der Fleckviehrasse in Kanada gearbeitet. „Ob in einem Land Kälte, Wärme oder gemäßigte Temperaturen herrschen, macht Fleckvieh nichts aus. Es gedeiht auf jedem Kontinent.“

Er schaut sich die Kälber auf Olooltepes an und bemerkt, dass sie bei der Geburt durchschnittlich 13 Kilo schwerer sind als die Friesischen. Der Tierarzt ist entzückt. Jetzt findet er, dass kenianische Viehhalter ihre Gefühle über Kühe zur Seite schieben sollen. Nomaden und Hirten in Afrika hängen sehr an ihren Viehherden: Sie sind Statussymbol und ein wandelndes Bankkonto, man verkauft Tiere sehr ungern, selbst wenn Dürre droht. „Wir müssen es rein wirtschaftlich sehen“, sagt der kenianische Tierarzt. „Wirtschaftlich gesehen ist Fleckvieh die Nummer eins.“