Die Wehmut des echten Profis

Der 69-fache Handballnationalspieler Christian Rose spielt für die Füchse Berlin. Er soll den Zweitligisten zurück in die erste Liga werfen. Aber das niedrige Niveau vergrault den 29-Jährigen. Und zur WM darf er auch nicht mit

Die Wehmut überkommt Christian Rose immer dienstags um 20 Uhr – auf Knopfdruck. Zu dieser Zeit, erzählt Rose, schalte er den Fernseher ein und schaue sich das Spiel der Woche der Handballbundesliga im DSF an. Dabei hadere er dann ein wenig mit seinem Schicksal. Schließlich könnte er da locker mitspielen.

Mit 29 Jahren steht Rose kurz vor dem Zenit seiner Profi-Laufbahn. Doch sportlich gesehen steht er so tief unten wie nie zuvor. Seit dieser Saison spielt Rose nämlich für die Füchse Berlin. Und die belegen einen Platz in der unteren Tabellenhälfte – der zweiten Liga. Schon oft ist der 69-fache Nationalspieler gefragt worden, warum er freiwillig in die zweite Liga gewechselt sei. Mittlerweile, gibt er zu, stelle er sich die Frage selbst.

Die Antwort lautet: Bob Hanning. Die schier unerschöpflicher Überzeugungskraft des Füchse-Geschäftsführers hat auch Rose angelockt. „Ohne Hanning wäre ich nicht von TuSEM Essen hierher gekommen“, sagt Christian Rose. Seit letztem Sommer ist Hanning der Dreh- und Angelpunkt des Vereins. Er setzt alles daran, mit dem Club nach 20 Jahren Bedeutungslosigkeit in die erste Liga zurückzukehren. Dafür hat er einen Zweijahresplan vorgelegt. Im ersten Jahr sollen die ökonomischen, im zweiten die sportlichen Voraussetzungen für den Aufstieg geschaffen werden.

Die Verpflichtung des Nationalspielers Rose war für den Geschäftsführer von besonderer Bedeutung. Sie soll Sponsoren signalisieren, dass Hanning, einst Co-Trainer der Nationalmannschaft, bei entsprechender Unterstützung die Besten nach Berlin holen kann.

Rose selbst betrachtete sich anfangs weniger als Avantgarde einer noch zusammenzustellenden Startruppe. Er erzählt, dass er sofort den Erfolg wollte, den Aufstieg gleich im ersten Jahr. Rose braucht solche Ziele und vielleicht haben ihn Hannings Lockrufe zu sehr berauscht. Heute analysiert er unbeschönigt: „Mir ist vorher nicht bewusst gewesen, dass das Niveau in der zweiten Liga so schlecht und das Gefälle zur Bundesliga so groß ist.“ Zudem sei ihm der Spaß am Handball verleidet worden, weil die Gegner in der zweiten Liga eigens einen Mann für ihn abstellten, der ihn am Mitspielen hindern soll, erklärt Rose.

Den Teamkollegen macht er trotz seiner Unzufriedenheit keinerlei Vorwürfe. Außer ihm und Pavel Prokopec sind alle berufstätig oder in der Ausbildung. Feierabendsportler oder „Freizeitprofis“, wie Rose sie netterweise nennt. Mitleid empfindet er aber nicht mit den Kollegen, auch wenn die Pläne des Geschäftsführers Hanning darauf hinauslaufen, dass die meisten sich bald einen neuen Verein suchen müssen. Rose ist ja nach Berlin gekommen, um Erfolge zu feiern. Mit seiner ehrgeizigen Denkweise liege er auf einer Linie mit seinem bundesligaerfahrenen Trainer Jörn-Uwe Lommel und Hanning und jenseits der Gedankenwelt der Mannschaft, wie Rose trocken feststellt.

Rose hat aber darüber hinaus auch einen zu eigenständigen Charakter, als dass er sich den Visionen von Hanning einfach unterordnen würde. „Während der Saison habe ich ein attraktives Angebot von einem guten Bundesligisten erhalten. Ich wäre dort gerne hin. Aber die Füchse wollten mich nicht gehen lassen“, erzählt er. Nun hofft Rose auf die nächste Saison, auf die Runderneuerung der Füchse. Vier Neuzugänge mit Bundesligaerfahrung sollen kommen. Wenn es dann mit dem Aufstieg klappen würde, verbessern sich vielleicht auch wieder Roses Chancen in der Nationalmannschaft. Für die WM Ende Januar in der Schweiz wurde er nicht nominiert. Er hält sich nur für den Fall von Verletzungen bereit. Rose wird wieder wehmütig vor dem Fernseher sitzen, nicht nur dienstags. JOHANNES KOPP