geld her – oder es gibt gemüse von RALF SOTSCHECK :
Es ist ein besonderes Vergnügen, in kleinen britischen Lokalzeitungen zu blättern. Man erfährt in der Rubrik „Vermischtes“ ungeahnte Dinge, die von der überregionalen Presse ignoriert werden. So berichtet ein Blatt aus Lancaster, dass die Polizei mit Ohrenabdrücken experimentiere. Die Form der Ohren sei so gut wie ein Fingerabdruck, sagte ein Polizeisprecher. Damit sind Safeknacker geliefert, die mit dem Ohr am Geldschrank die Zahlenkombination austüfteln. Die Polizei hat die Ohrentypen in drei Kategorien eingeteilt: klein, mittel und Windsor. Okay, der letzte Satz stand nicht in der Zeitung.
Ein Boulevardblatt aus Sheffield schreibt, dass der exzentrische Autodieb, der die Stadt seit Monaten unsicher gemacht habe, endlich gefasst sei und vor Gericht stehe. Colin Sadd sei auf die schiefe Bahn geraten, weil er Autonarr sei, aber keinen Job in einer Werkstatt gefunden habe, behauptete sein Anwalt. So klaute er Autos, wusch sie gründlich und machte manchmal auch einen Ölwechsel. Dann stellte er sie wieder dort ab, wo er sie gestohlen hatte.
Viele Gauner kommen jedoch davon, weil die Telefongesellschaft British Telecom die Notrufe falsch vermittle, behauptet jedenfalls eine nordirische Lokalzeitung. Die Notrufnummer 999 gilt für Feuerwehr, Krankenwagen und Polizei. Man muss erklären, wo es brennt, und wird mit der entsprechenden Stelle verbunden. Oder auch nicht. Die Zeitung berichtete, dass jemand, der einen Brand in Belfast melden wollte, zur Feuerwehr in Nord-Wales durchgestellt wurde. Ein Notruf aus Schottland wurde an die Polizei im südenglischen Kent weitergeleitet. Da kommt ein hübsches Sümmchen an Kilometergeld zusammen.
Manchmal stellen sich die Gangster aber so dämlich an, dass ihnen auch die verwirrten Telefonleitungen nichts nützen. In Nottingham hat ein Carl Lancaster eine Tankstelle mit einer grünen Gurke überfallen. Er richtete das Gemüse auf den Tankwart und sagte, er werde ihn erschießen, falls er ihm nicht einen Batzen Geld gebe. Entweder war der Tankwart kurzsichtig, oder er hatte eine Gurkenphobie. Jedenfalls gab er Lancaster 60 Pfund, und der machte sich mit einem Taxi aus dem Staub. Das blieb jedoch im Berufsverkehr stecken, sodass die Polizei leichtes Spiel hatte. Robin Hood hatte es bei seinen Raubzügen in Nottingham einfacher. Damals gab es noch keine Autos.
Bei Lancaster kam strafverschärfend hinzu, dass man in seiner Tasche eine abgesägte Aubergine gefunden hat. Er sitzt nun im Gefängnis, aber dank der Labour-Regierung findet die Bürgercharta, die der Bevölkerung mehr Rechte gegenüber Behörden einräumen soll, jetzt auch im Knast Anwendung. Jeder Gefangene, so schreibt eine Birminghamer Zeitung, bekam einen Fragebogen zugeschickt, wie ihn sonst nur Hotels der gehobenen Klasse ihren geschätzten Gästen vorlegen. Ob man zum Beispiel mit der hauseigenen Wäscherei zufrieden sei, wollte die Gefängnisbehörde wissen. Wie es mit den Freizeiteinrichtungen stehe? Wie komme man mit den Wärtern zurecht? Und ob man die Mahlzeiten lieber in der Zelle oder außerhalb einnehmen möchte? Die Antwort auf die letzte Frage war einstimmig: außerhalb. Und zwar mindestens 300 Kilometer.