: Die lauteste Pantomime der Welt
BEWEGUNGSFUNDUS Mit dem Programm „Speedmouse“ gastiert das Comedy-Duo The Umbilical Brothers in Berlin. Eine Begegnung und große Fragen: Warum werden Komiker intellektuell unterschätzt? Wann ist Komik komisch?
VON KATHARINA GRANZIN
In Australien ist Winter ja praktisch unbekannt, dafür wird man dort oft von extremer Hitze gequält. David Collins und Shane Dundas sind froh, die heißeste Jahreszeit in Europa überbrücken zu können. „Wir lieben die Kälte. Wirklich!“, sagt David und beschenkt die schmutziggraue Szenerie vor dem Hotelfenster mit einem innigen Blick. Shane stimmt zu: „Ja, es ist einfach toll!“
Das, so werden wir merken, ist ein typischer Gesprächsverlauf. Einer sagt etwas, der andere pflichtet bei, ergänzt, führt weiter; perfekt eingespielt. Kein Wunder, denn immerhin geht das so schon seit über 20 Jahren. Ende der Achtziger lernten die beiden sich auf der Schauspielschule kennen, wo sie ihr Talent dafür entdeckten, andere gemeinsam zum Lachen zu bringen. Zuerst allerdings brach der eine dem anderen mit einem einzigen Tritt die Nase; ganz ohne Absicht und auf eine Weise, die einer Umbilicals-Nummer würdig wäre. „Wir hatten gerade Jazztanz“, erzählt David, „auf der Schauspielschule lernt man ja alles, sogar das. Wir probten eine Choreografie auf ,Baby, you can drive my car‘.“
In perfektem Unisono intonieren beide im Falsett: „Beep beep, beep beep, yeah!“, irgendwo blökt eine Fahrradhupe. Unbewegt erzählt David weiter: „Und es gab ein unchoreografiertes Stück, für das wir mit einem Partner spontan etwas entwickeln sollten, und blöderweise stand Shane in meiner Nähe, der zu viele Jackie-Chan-Filme gesehen hatte, und …“ – Shane, der bisher schweigend zugehört hat, schaltet sich ein, schweift ab, erklärt, wie Jackie-Chan-Filme funktionieren, dass vor allem die Art, mit dem Sound zu arbeiten, sie für ihre Nummern inspiriert hätte, und … Ist auch gut, nein, natürlich müssen wir nicht detailliert über gebrochene Nasen sprechen.
Jetzt erzählt David, Shane sei früher im Jackie-Chan-Fanclub gewesen, und wenn man dann fragt, wie alt er da war, antwortet er, na ja, Teenager, er habe das aber wieder aufgegeben, weil Jackie Chan ja nicht sehr cool sei, „besonders heutzutage“. Als hätte man unterstellen wollen, er könnte Jackie Chan immer noch cool finden. (Süß! Die Jungs müssen um die 40 sein.) Auch die Filme seien ja eher schlecht, aber die Actionszenen toll choreografiert, und eben … „Wir legen einen Soundtrack auf unsere Bewegungen, aber das ist das Einzige, was wir mit Jackie Chan gemeinsam haben.“
Ja, schon klar.
Es scheint nicht leicht zu sein. Wahrscheinlich wird man von vielen Leuten intellektuell unterschätzt, wenn man im Hauptberuf eine Art von Comedy ausübt, die so wirkt, als würden zwei durchgeknallte Klassenclowns versuchen, mit möglichst irrwitzigen Einfällen den Pantomimen-Unterricht aufzumischen. (Zumal, wenn es einst wirklich so war.)
In Wirklichkeit erfordert das, was die beiden tun, eine grandiose Körperbeherrschung, ein absolut perfektes Timing und nicht zuletzt eine glasklare Aussprache. Immerhin gastieren die Umbilical Brothers häufig in Ländern, in denen Englisch nicht Landessprache ist. Und obwohl der Bewegungsfundus der klassischen Pantomime die Basis ihrer Shows bildet, bleiben die Mimen keinesfalls stumm, was allein schon Komik erzeugt. Mitunter wird sogar sehr viel gesprochen, sowohl miteinander als auch zum Publikum.
In ihrem aktuellen Programm „Speedmouse“ außerdem mit zwei ominösen Randfiguren, dem „Roadie“, einer dadaesken Riesengestalt im Clownskostüm, die schlecht gelaunt Mikrofone hin und her trägt, und „Tina“, einer männlich klingenden Dominastimme aus dem Off. Zusammengehalten wird das Ganze von einer eher lockeren Rahmenidee (David und Shane haben ihre Schauspielkunst digitalisiert, doch die Fernbedienung geht verloren) und dem laut eingespielten Soundtrack von Knall-, Knack-, Zisch- und zahllosen anderen Lauten, alle von den Künstlern eigenmündig produziert. Er habe fast alles von Shane gelernt, der sei der Meister des Sounds, sagt David, und Shane ergänzt bescheiden: „Das ist eben so ein Jungsding“, um schnell hinzuzusetzen „aber ich habe auch Männer gesehen, die es tun.“
Vielleicht rührt die Befürchtung, nicht erwachsen genug rüberzukommen, daher, dass Collins und Dundas als Macher und Hauptdarsteller der preisgekrönten Kinderserie „The Upside Down Show“ sehr breit (in englischsprachigen Ländern) bekannt wurden. Vielleicht wird man dem eigenen Humor gegenüber misstrauisch, wenn man sich selbst allzu oft in Kleinkinderklamotten umherhampelnd auf dem Bildschirm gesehen hat. Aber wie ist das mit dem Humor? Woher weiß man, wann man komisch ist? Das sei allerdings nicht immer einfach, gibt David zu: „Wir wissen es eigentlich erst, wenn die Leute lachen. Wir selbst lachen nämlich über so ziemlich alles, was wir tun.“
■ „Speedmouse“: 2.–21. 2. (außer montags) im Tipi am Kanzleramt, je 20 Uhr