Jesuitenpater gibt sexuellen Missbrauch zu

CANISIUS-KOLLEG Ein früherer Sportlehrer räumt ein, jahrelang Schüler misshandelt zu haben. Ein zweiter Verdächtiger weist die Vorwürfe zurück. Der Schulleiter kritisiert die katholische Kirche: Sie sei homophob

Im Skandal um Dutzende Missbrauchsfälle in den 70er- und 80er-Jahren am Canisius-Kolleg in Tiergarten sind weitere Details an die Öffentlichkeit gelangt. Einer der Beschuldigten bestätigte die Vorwürfe gegenüber dem Magazin Der Spiegel. Der Rektor der katholischen Privatschule, Pater Klaus Mertes, kritisierte im Zusammenhang mit den Vorfällen seine Kirche scharf und unterstellte ihr Homophobie.

Der frühere Sportlehrer und Jesuitenpater Wolfgang S. räumte in einer an seine Opfer gerichteten Erklärung ein, es sei „eine traurige Tatsache, dass ich jahrelang Kinder und Jugendliche unter pseudopädagogischen Vorwänden missbraucht und misshandelt habe“. Daran sei „nichts zu entschuldigen“, schrieb er darin laut Spiegel. Darüber hinaus gab der heute in Südamerika lebende 65-Jährige an, bereits 1991 seinen „deutschen Provinzialoberen eingehend über meine verbrecherische Vergangenheit informiert“ zu haben.

Der heutige Provinzial der Jesuiten in Deutschland, Stefan Dartmann, bestätigte, dass der Orden seinerzeit Kenntnis von den Straftaten des S. hatte. Man habe jetzt eine Anwältin mit der Aktenprüfung beauftragt, „um festzustellen, was genau die Jesuiten damals wussten und welche Konsequenzen erfolgten“.

Wolfgang S. trat dem Magazinbericht zufolge 1992 aus dem Orden aus. Zuvor soll er auch an anderen Jesuitenschulen in Deutschland Jungen missbraucht haben, was er heute nicht kommentieren wolle, heißt es weiter. Bei dem zweiten Beschuldigten im Canisius-Fall handelt es sich laut dem Bericht um den 69-jährigen ehemaligen Religionslehrer Peter R. aus Berlin. Im Gegensatz zu S. bestritt dieser vor Vertretern des Canisius-Kollegs sämtliche Vorwürfe, wie der Spiegel schreibt.

Die Mediatorin des Jesuitenordens, die Anwältin Ursula Raue, sprach von etwa 20 Opfern in dem Fall, darunter auch eine Frau. Die Vorfälle waren in der vergangenen Woche durch Mertes bekannt gemacht geworden. Das private Canisius-Kolleg gilt als Elitegymnasium. Nach Ansicht von Mertes stehen die Vorfälle auch im Zusammenhang mit der restriktiven kirchlichen Sexualmoral: „Die Kirche leidet an Homophobie. Homosexualität wird verschwiegen. Kleriker mit dieser Neigung sind unsicher, ob sie bei einem ehrlichen Umgang mit ihrer Sexualität noch akzeptiert werden.“ (ddp)