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Archiv-Artikel

Der Hafengeburtstags-Schwindel

JUBLILÄUM Hamburgs Hafen wird kommende Woche 824 Jahre alt. Wer’s glaubt

Es gibt Fragen, die man in Hamburg nicht stellen sollte. Eine ist: Warum gibt es den Hafengeburtstag?

Es gibt Fragen, die man als in Hamburg wohnender Mensch nicht stellen sollte. Es sei denn, es liegt einem daran, sich als Zugereister zu outen. Eine davon lautet: Was finden die Hamburger am Michel? Die andere, weit wichtigere: Warum eigentlich gibt es den Hafengeburtstag? Und wer hat da Geburtstag? Etwa der Mündungsarm der Bille, wo im 9. Jahrhundert erste Schiffe anlandeten?

Oder nehmen wir doch lieber den schon stattlicheren Alsterhafen des 16. Jahrhunderts? Sollen wir uns etwa auf den angeblichen Freibrief von Kaiser Barbarossa kaprizieren, der Hamburg am 7. 5. 1189 Zollfreiheit gewährt haben soll, wobei das Originaldokument kurioserweise nie gefunden wurde?

Sowieso stellt sich die Frage, wie sich der Geologe, Biologe oder gar Theologe die Geburt eines Hafens vorstellen soll. Als Relikt jener Zeiten, da Gott Land und Wasser schied? Als Teil der Rippe Adams, der exakt in Hamburg zu liegen kam?

Abgesehen davon wäre noch zu klären, ob das Geburtstagskind Hafen grammatikalisch und semantisch als Subjekt gelten kann. Ob er sich zum Beispiel freut, wenn wir zu seinen Würstchen- und Popcornbuden kommen – also zu dem Event, das es seit 1977 im Volksfest-Stil gibt, nachdem bis dato der Überseeclub lediglich einen Exklusiv-Event für Wirtschafts-Granden veranstaltet hatte.

Und natürlich ist es nett, jeden Mai wieder Schiffe zu gucken – besonders für die zwei Drittel Landratten unter den Besuchern. Aber das Motto scheint nicht so recht in die moderne Event-Landschaft zu passen: „Hafengeburtstag“ – das spricht sich erstens umständlich und klingt zweitens arg nach Tante Ernas Kaffeetafel. Ähnlich biedermeierlich-altbacken wirkt da nur noch das umständliche „Alstervergnügen“. Müssen es in Hamburg eigentlich immer Fünfsilber sein?

Wundern darf man sich da schon, zumal doch andererseits in der Stadt stets so forsch von Weltoffenheit die Rede ist. Aber die ist vermutlich weder sprachlich noch persönlich gemeint. Sondern eher touristenbezogen-pekuniär.  PETRA SCHELLEN