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Archiv-Artikel

Hat Mutti das verdient?Ja

Termine Blumen, Pralinen und Bastelinferno im Kindergarten: Dem Muttertag kann niemand entfliehen, am wenigsten die Mütter selbst. Doch niemand kann sie zwingen, sich darüber zu freuen

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Marie-Luise Marjan, 62, spielt die Helga „Mutter“ Beimer in der „Lindenstraße“

Ja, Mutti hat es verdient, mit einem speziellen Tag geehrt zu werden. Mütter verdienen Respekt – ohne sie geht gar nichts in der Welt! Daher ist es nur richtig, wenn es wenigstens einen Tag im Jahr gibt, der als Erinnerung für die Wertschätzung der Mütter dient. Abgesehen davon sollten Mütter nicht nur am Muttertag, sondern jede Woche einen Blumenstrauß als Dank für ihre Arbeit erhalten!

Charlotte Michel-Biegel, 61, Landesverband allein erziehender Eltern BaWü

Welche Mutter was verdient hat, lässt sich schwer sagen. Sinnentleert ist der Muttertag nur, wenn ich ihm keinen Sinn entlocken kann. Kann ich aber: An einem besonderen Tag können sich Kinder – oder auch Väter – Gedanken machen über Rolle, Liebe, Dienst, Sorgen und Gefühle von Müttern oder für Mütter. Auch Bastelei im Kindergarten kann das ausdrücken. Es bleibt aber eine gesellschaftlich-politische, soziale Aufgabe, Mutterschaft und Erziehung zu honorieren, mit Unterhaltsgewährleistung, Planungssicherheit, Entscheidungsfreiheit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Steuer- und Rentengerechtigkeit. Das muss aber Kinder noch nicht beschäftigen. Sie dürfen sich ruhig überlegen, wie sie eine Freude machen können. Es ist ihrer sozialen Entwicklung zuträglich, Spaß macht es ihnen am Ende hoffentlich auch noch.

Merle Meier-Holsten, 37, Senior Brand Managerin, Milka, Kraft Foods Deutschland

Wenn die Milka-Kuh sprechen könnte, würde sie mir sicher zustimmen, dass jede Mutti am Muttertag besondere Aufmerksamkeit verdient. Nebenbei bemerkt: durchaus auch an den restlichen 364 Tagen im Jahr. Dabei geht es gar nicht um große Geschenke, sondern vielmehr um kleine Zeichen. Den Muttertag als reinen „Konsumanlass“ zu bezeichnen, wird ihm meiner Meinung nach nicht gerecht. Ich glaube, viele Menschen erinnert er daran, anderen eine Freude zu bereiten. Wer dabei nicht mitmachen möchte, lässt stattdessen einfach das ganze Jahr über etwas von sich hören.

Nicole Heide, 51, Mutter von drei Kindern, betreibt einen Blumenladen in Berlin

Ja, hat sie, aber nicht nur zum Muttertag. Sie hat es immer verdient. Es gibt ganz viele „neue“ Mütter, da wird das alles unabhängig vom Muttertag praktiziert. Da wird sowieso viel mehr für die Familie gemacht. Papa geht dann mit den Kleinen los, Frühstück holen, Mama kann nochmal eine Stunde länger schlafen und dann fehlt noch ein Blümchen. Und das öfters, fast sogar jedes Wochenende. Außerdem glaube ich, wer es nicht mag, kann es ja auch lassen. Meiner Schwiegermutter zum Beispiel bedeutet der Muttertag viel – ihr Sohn kümmert sich. Auch in vielen türkischen Familien sind die Blumen zum Muttertag sehr wichtig. Aber generell ist mein Motto: Entweder man macht es mit Liebe, oder man lässt es.

Die Userin „Mama“ hat die sonntaz-Frage anonym auf taz.de beantwortet

Als Mutter ist mir heute erst bewusst, was für eine Leistung meine Mutter erbracht hat. Also besuche ich sie mit meinem Jüngsten. Wir gehen zusammen in den Zoo und danach Essen. Gebastelte Liebesbeweise, der Löwenzahnblumenstrauß und kleine gegenseitige Beschämungsversuche gehören da eher zum kulturellen Pflichtprogramm.

Nein

Gabriele Heinisch-Hosek, 51, Bundesministerin für Frauen, Österreich

Was brauchen Mütter wirklich? Gute Rahmenbedingungen, damit sie Kind und Beruf vollkommen ohne Probleme vereinbaren können. Und nicht Kuchen und Gedichte an einem Tag im Jahr. Sie brauchen Partner, die in Väterkarenz gehen und die Hälfte der Hausarbeit übernehmen, und nicht solche, die ihnen an diesem einen Tag das Frühstück ans Bett bringen. Sie brauchen Arbeitgeber, die Mutterschaft nicht als Handicap, sondern als Sozialkompetenz sehen, die fair bezahlen und Frauen fördern, auch und gerade in Spitzenpositionen. Für mich hat der Internationale Frauentag am 8. März einen viel höheren Stellenwert: Er feiert alle Frauen, nicht ausschließlich Mütter. Und er verklärt die Rolle der Mutter nicht, sondern zeigt auf, was es noch alles zu tun gibt. Und das ist leider noch Etliches: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, ein starkes Netz an Kinderbetreuungseinrichtungen oder gerechte Aufteilung der unbezahlten Arbeit, halbe-halbe.

Margret Friedrich, 48, Psychologin und Historikerin an der Universität Innsbruck

Ich sehe zwei noch immer nicht gelöste Grundprobleme: Die Arbeit von Müttern hat honoriert zu werden, nicht mit Blumensträußen oder anderen Geschenken, die womöglich noch aus dem Sonderangebot stammen, sondern, wie jede andere Arbeit auch, mit entsprechender Bezahlung und dem Anspruch auf Sozialversicherung. Dann können Mütter (und auch Väter) leichter entscheiden, ob sie rasch wieder Voll- oder Teilzeit in ihre Erwerbsarbeit zurückkehren oder einige Jahre zu Hause bleiben, da sie bei letzterem eben keine riskante Lebensform wählen. Die Arbeit von Müttern fällt in eine Lebenszeit, in der man seine berufliche Laufbahn zu gestalten hat. Es wäre dringend an der Zeit, sich hier nicht nur auf die männliche „Normalbiografie“ zu kaprizieren, sondern auch andere, abweichende Möglichkeiten zuzulassen. Die Antwort auf obige Frage ist daher ein vollkommen klares, eindeutiges „Nein“! Mütter haben was Besseres verdient – packen wir’s an.

Anna Thalbach, 39, Schauspielerin, Tochter und Mutter und das alles in einer Person

Verdient? Vielleicht, aber auch nicht jede… Wofür soll sich der einzelne Mini-Mensch bedanken, kann er doch nicht das Geringste für das Muttersein seiner Mutter. Er soll dann Dankeschön sagen für die eigentlich selbstverständlichste Sache der Welt: Mutterliebe gestrickt aus Empathie, Fürsorge, Schutz, Stolz, Zärtlichkeit, Loyalität, Sorge. Das klingt so groß, ist aber Pflicht und nicht Kür, beherrscht das Muttertier diese Pflicht, ist ihr Mutterliebesladen 24 Stunden geöffnet, durchgehend, ganzjährig. Getreu dem Motto: Verbote verbieten, lieben können, dankbar fürs Leben sein können, Wärme vorleben jeden, jeden, jeden einzelnen Tag.

Barbara Vinken, 53, Literaturwissenschaftlerin und Autorin des Buchs „Die deutsche Mutter“

Nein! Der Muttertag kam schon meiner Mutter wie eine schallende Ohrfeige vor. Beleidigt war sie, wenn wir ihn auch nur erwähnten. Mein Sohn und ich haben ihn ignoriert. Muttertag hat was von Kriegerdenkmal. Und hat seinen Ursprung ja auch in diesem patriotisch-nationalen Gesumpf eines gesunden, wehrhaften Volkskörpers. Mütter und Kinder sollte man weder für die Wirtschaft, noch für die ältere Version eines wehrhaften Volkskörpers funktionalisieren. Die Abschaffung der Wehrpflicht war das Beste, was die deutsche Politik auf die Reihe gekriegt hat. Ich bin glücklich, ein Kind zu haben, ein Glück ohne nationale Dimension. Und keiner muss mir dafür danken. Schließlich bin ich die über alle Maßen Beschenkte.