: Kultur von unten
MUSIKFILM Punk is dead? Nein, sagt Cornelius Schulz. Er ist Initiator des „Too Drunk to Watch“-Festivals, das im Moviemento zum zweiten Mal Filme über die internationale Punkszene zeigt
VON JENS UTHOFF
Eigentlich stand der Punk von Beginn an nicht nur für wuchtigen, zerstörerischen Sound, sondern für eine ebenso kraftvolle Bildsprache. Die war seit jeher shocking. Ohne sie wäre Punk nicht die kulturelle Avantgarde gewesen, die er darstellen sollte. Vielleicht waren deshalb auch die Filme zum frühen Punk so gewaltig: Allein die Sex Pistols und Sid Vicious haben mit „The great Rock ’n’ Roll Swindle“ und „Sid & Nancy“ für zwei cineastische Hinterlassenschaften des Punk gesorgt, die damals genauso verstörend waren wie die Bewegung selbst.
Wie aus Punk nach und nach ein globales Phänomen wurde und warum der Sound und der Style bis heute eine große Rolle spielen, davon erzählen die Filme des „Too Drunk to Watch“-Festivals im Kreuzberger Moviemento. Zum zweiten Mal findet dort vom heutigen Donnerstag an das Filmfestival statt, das sich einzig und allein dem Punk widmet. In 16 Filmen und einem Kurzfilmprogramm werden vor allem erfreulich viele Produktionen gezeigt, die den Blick auf eine – aus eurozentrischer Sicht – Punkperipherie werfen.
So gibt es etwa mit „Yangon Calling“ einen Film über Punk in Myanmar/Birma, zwei Dokumentationen zur Punk- und Hardcoreszene in Chile (einer zeigt den Punk noch unter Pinochet) und „The Punk Syndrome“ über eine finnische Punkband, deren Mitglieder allesamt das Down-Syndrom haben.
„Es gibt einfach unglaublich viele Filme, die sich mit Punk beschäftigt haben“, sagt Cornelius Schulz, Festival-Initiator. „Berlin hatte ein Porn-, ein Fußball- und für fast alle Länder ein Filmfestival, da wurde es höchste Zeit, dass es so was auch für Punk gibt.“ Nachdem im vergangenen Jahr Berlin seine Premiere feierte und das Filmfest in Hamburg schon Nachahmer fand, könnte ein ähnlich konzipiertes Festival nun deutschlandweit die Runde machen.
Die französische Produktion „Der Tag wird kommen“ ist der aktuellste Film im Programm, er lief vergangenen Donnerstag in Deutschland an. Der Film erzählt die Geschichte eines Brüderpaars, von dem der eine seit eh und je Streetpunk ist und der andere, ein Verkäufer, sich durch die ökonomische Krise seinem Bruder annähert. Sogar so weit, dass beide, auf der Stirn jeweils „Not“ und „Dead“ tätowiert, irgendwann gemeinsam durch die Straßen irren.
Bisweilen wurde kritisiert, dass Punk in dem Film von Benoît Delépine und Gustave de Kervern (die 2008 bereits „Louise Hires a Contract Killer“ zusammen drehten) zur Karikatur verkomme. Vielleicht zeigt sich aber auch hier nur wieder eine selbstironische Brechung, wie man sie auch schon in vielen anderen Filmen über Punk gesehen hat. Und insgesamt, das zeigt ein Blick auf das Programm des Festivals deutlich, wird Punk sowohl als soziales als auch als kulturelles Phänomen ernst genommen. Es werden auch die kulturellen Errungenschaften der Bewegung, wie das Do-it-yourself-Prinzip und die musikalische Kultur von unten, beleuchtet.
In dieser D.I.Y.-Tradition steht schließlich auch das Filmfest an sich. Veranstalter Schulz ist sowohl der Punkszene verbunden als auch leidenschaftlicher Cineast. Im vergangenen Jahr hat er einfach beim Kino am Kottbusser Damm angefragt – und kurze Zeit später stand bereits das Programm des Punkfilmfestivals Nummer eins.
Aber welche Bedeutung hat Punk überhaupt noch? Wurde er nicht längst und unzählige Male für tot erklärt? Für Schulz ist die Szene nach wie vor aktuell: „Für junge Menschen kann Punkmusik, glaub ich, immer noch wichtig sein“, sagt der 35-Jährige, „um sich abzugrenzen und um seinen Weg zu finden.“
Das Festival zeigt, was Punkrock war und was er heute ist. Der Schwerpunkt liegt innerhalb der Szene und ihrer Formierung als Gegenkultur in Squats und den Jugendzentren dieser Welt. Wie Musik und Style schließlich zum natürlichen Bestandteil der Kulturindustrie wurden, wird leider weniger thematisiert.
■ Punkfilmfestival „Too Drunk to Watch“: 9.–12. Mai, Moviemento, www.toodrunktowatch.de