: Frankreichs Finanzminister sieht neuen Kurs in Europa
KRISE Die Pariser Regierung bekommt mehr Zeit für Defizitabbau. Schäuble zeigt Verständnis
BERLIN dpa | Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici sieht in der Ankündigung der EU-Kommission, seinem Land mehr Zeit zur Haushaltssanierung zu geben, einen neuen Kurs in Europa. „Hinter dieser Entscheidung steht auch eine Kursänderung, die ich begrüße“, sagte er am Dienstag in Berlin bei einer Diskussion mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor Studenten der FU Berlin. „Sie zielt darauf ab, dass wir die Notwendigkeit von Wachstum in Europa besser berücksichtigen.“ Schäuble stützte ausdrücklich das Vorgehen der EU-Kommission und zeigte Verständnis für eine Fristverlängerung zur Reduzierung des Haushaltsdefizits.
In einer Pressekonferenz mit Schäuble nach einem Treffen des deutsch-französischen Finanz- und Wirtschaftsrats vermied es Moscovici später aber, von einem Kurswechsel zu reden. „Die EU-Kommission hat keinen neuen Text erfunden.“
Die EU-Kommission hatte Frankreich angesichts der Rezession und Arbeitslosigkeit mehr Zeit eingeräumt, um die im Stabilitätspakt erlaubte Defizit-Obergrenze von 3 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung wieder zu erreichen. In der schwarz-gelben Koalition in Berlin wurden Forderungen laut, wegen fehlender Reformen in Frankreich keine Nachsicht mit der sozialistischen Regierung in Paris zu zeigen. Moscovici dankte Schäuble für dessen Verständnis. Zur Kritik in Teilen der Berliner Regierungskoalition sagte der Pariser Kassenwart, er verstehe, dass es in Deutschland Fragezeichen gebe.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bekräftigte, Europa müsse insgesamt wettbewerbsfähiger werden. Es könne nicht darum gehen, Deutschland zu schwächen für einen Abbau der Ungleichgewichte.
Deutschland und Frankreich pochen unterdessen auf eine schnelle Bankenunion. Auf mittelfristig nötige EU-Vertragsänderungen will Schäuble nicht warten: „Das ist ein vorrangiges Projekt, wir werden es schnell […] voranbringen.“ Natürlich seien auf mittlere Sicht auch institutionelle Veränderungen notwendig: „Aber natürlich können wir nicht warten bei der Schwerfälligkeit, die wir in Europa haben, bis wir Vertragsänderungen erreichen.“ Daher müsse auf Grundlage der geltenden Verträge das Beste daraus gemacht werden, sagte Schäuble.