: Und wo bleibt die Politik?
Das Verbot von Springer-TV ist richtig. Doch die gesamte Konzentrationskontrolle taugt nicht fürs digitale Medienzeitalter. Ändern könnten dies nur die Volksvertreter. Aber sie trauen sich nicht
von STEFFEN GRIMBERG
Die Lage am Tag nach dem ersten Fusionsverbot ist übersichtlich: Springer gibt sich sportlich-beleidigt. Die Konzentrationskommission KEK verteidigt ihre Entscheidung. Und die SPD weiß nicht, was sie will.
Die KEK hatte am Dienstag die Übernahme der ProSiebenSat.1-Sendergruppe durch die Axel Springer AG untersagt, weil der so entstehende integrierte Medienkonzern eine vorherrschende Meinungsmacht erlange. Dies lässt der Rundfunkstaatsvertrag nicht zu. Am 20. Januar wird auch das für die Wettbewerbsseite des Deals zuständige Bundeskartellamt über die Fusionspläne urteilen. Die Behörde hat bereits in zwei Zwischenbescheiden klar ihre Bedenken signalisiert.
Der Zusammenschluss gefährde „Meinungsvielfalt und Informationsfreiheit“, sagte KEK-Chef Dieter Dörr gestern in Radiointerviews. Wenn vorherrschende Meinungsmacht einmal entstanden sei, „kann man sie nicht mehr rückgängig machen oder jedenfalls nur ganz schwer“.
Beziehungsweise angesichts des Zustands der deutschen Medienpolitik wohl eher gar nicht. SPD-Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper jedenfalls verlangte laut Tagesspiegel von der Bundesregierung bereits, eine Ministererlaubnis „ernsthaft zu prüfen“, falls auch das Kartellamt Nein sagen sollte. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) könnte mit dieser Sondergenehmigung die Fusion doch noch durchwinken. Damit begibt sich Körper auf Konfrontationskurs mit den Medienexperten seiner Partei (siehe Interview). „Wir brauchen einen Blick auf Europa und auf die weltweite Medienkonzentration“, so Körper. Auch Springer-Chef Mathias Döpfner hatte moniert, das Verfahren ignoriere völlig „die globalen Verschiebungen des Medienwettbewerbs in die digitalen Vertriebsmärkte“.
Genau hier liegt denn auch der weit über die Springer-Fusionspläne hinausreichende eigentliche Kern des Problems: Die deutschen Spielregeln gehen zu Beginn des digitalen Fernsehzeitalters von engen nationalen Grenzen aus, über die jedes Programm längst hinwegsendet. Vor allem der für das Fernsehen zuständige Rundfunkstaatsvertrag schafft durch bewusste Unklarheiten, dass effiziente Konzentrationskontrolle geradezu ausgeschlossen ist. So argumentiert die bayerische Landesmedienanstalt unter Berufung auf ebendiesen Rundfunkstaatsvertrag, die KEK habe im Fall Springer-ProSieben wegen zu geringer Marktanteile der Sender gar keine Prüfbefugnis.
Das ist zwar Quatsch. Doch die dürren Zeilen im Gesetz schaffen in der Tat eher rechtliche Grauzonen als juristische Klarheit. Und taugen schon gar nicht für eine sinnvolle Regulierung des künftig voll digitalisierten Mediensystems. Dieses Dilemma haben die KEK und dutzende Medienexperten auch immer wieder angeprangert.
Allein: Die Medienpolitik, die als einzige Instanz hier wirkliche Abhilfe schaffen könnte, hält weiter Winterschlaf. Selbst in der aktuellen Springer-Debatte reicht es gerade mal zu kleineren Spiegelfechtereien.