Verbraucher-Lob für Seehofer

Die gute Nachricht: In Deutschland verkaufte Lebensmittel sind nur selten giftbelastet. Die schlechte: Gemüse, Obst oder Fisch sind es überdurchschnittlich oft

BERLIN taz ■ Lebensmittel in Deutschland waren 2004 zumeist nur geringfügig belastet. So lautet das Fazit des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das gestern im Vorfeld der Grünen Woche vorgestellt wurde. Seit 1995 überprüft das Amt Lebensmittel, um so Gefahren für VerbraucherInnen abschätzen zu können.

Insgesamt 5.000 Lebensmittelproben hat das Amt ausgewertet – nur 6 Prozent wiesen Überschreitungen der gesetzlichen Höchstmengen auf. „Das ist nicht viel, aber zu viel, um ganz zufrieden zu sein“, so Jochen Heimberg, Sprecher vom BVL. Vor allem Fisch, Obst und Gemüse fielen oft mit grenzwertüberschreitenden Pestizidbelastungen auf. Zwei Drittel der untersuchten Gemüsepaprika waren mit durchschnittlich 4 bis 5 Pestiziden belastet, der Rekord lag bei 20 Pestiziden in einer einzigen Probe. Ein Drittel der Tomaten wies mehrfache Belastungen auf, in rund 80 Prozent der Erdbeeren ließen sich Pflanzenschutzmittel nachweisen, und Ostseehering enthält noch immer TBT.

In Deutschland ist die Lebensmittelkontrolle Sache der Bundesländer. So unternimmt jedes Land die Kontrollen in eigener Regie, mit eigenem Personal, eigenen Analyselabors und einer eigenen Politik. Die Länder melden ihre Ergebnisse dem BVL. Das Bundesamt forderte gestern vom Handel, sich für eine bessere Qualität der eigenen Ware einzusetzen. Jochen Heimberg sah für diesen Appell im abgelaufenen Jahr gute Gründe: den Skandal um vergammeltes Fleisch, viel zu hohe Mengen von Pestiziden in Obst und Gemüse, immer wieder die Frage der VerbraucherInnen nach mehr Informationen zur gekauften Ware.

Der neue Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer (CSU), jedenfalls hat viele Defizite in der Kontrollroutine erkannt. Und deshalb ein 20-Punkte-Sofortprogramm auf den Weg gebracht. Allerdings kann Seehofer etliche dieser Punkte nicht selbst umsetzen – wegen der föderalen Struktur ist er auf die Kooperationsbereitschaft der Landesminister angewiesen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist mit dem Programm vollauf zufrieden. „Das hätten wir selbst nicht besser machen können“, sagt Carel Mohn, Sprecher des vzbv. Das Programm Seehofers zielt sowohl auf Prävention und Kontrolle als auch auf Repression; ein schwieriger, aber besonders wichtiger Punkt, schließlich sollen die Lücken im System nicht nur vorübergehend geflickt werden. Allein das Verbraucherinformationsgesetz sei in der geplanten Fassung noch völlig unzureichend.

Unter Seehofer scheint noch anders plötzlich möglich: Während der Grünen Woche wird es zum ersten Mal überhaupt zu einem Treffen der Verbraucherschutzminister aus Bund und Ländern kommen. Wobei natürlich überhaupt nicht klar ist, ob ein solcher Treff dem Verbraucher etwas bringt.

KAROLINE SCHACHT