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Archiv-Artikel

Muslim-Test gilt nicht für alle Muslime

Baden-Württembergs Innenminister sagt nun: Nicht alle Muslime, die einen deutschen Pass beantragen, müssen zum Gesinnungstest. Die Praxis in den Einbürgerungsbehörden ist allerdings anders. Das zeigt ein Beispiel aus Ulm

VON SABINE AM ORDE

Tagelang hielt sich das Stuttgarter Innenministerium mit einer klaren Aussage auf eine entscheidende Frage zurück: Für wen gilt der neue Gesinnungstest, dem sich künftig Einbürgerungswillige in Baden-Württemberg unterziehen müssen? Werden ausschließlich Muslime befragt oder alle Einwanderer, die sich einbürgern lassen wollen? Müssen sich alle Muslime den 30 Fragen stellen, alle anderen Bewerber aber nur, wenn Zweifel an ihrer Einstellung zum Grundgesetz besteht?

Jetzt hat sich der Stuttgarter Innenminister Heribert Rech (CDU) endlich klar positioniert. Die Fragen sollten nur im Zweifelsfall eingesetzt werden, sagte der Minister. Auch bei muslimischen Einbürgerungswilligen seien sie keine Pflicht. „Die weitaus überwiegende Zahl von ihnen wird ohne Gespräche eingebürgert“, sagte Rech in einem Interview der Stuttgarter Zeitung.

Das Innenministerium behauptet, dies sei von Anfang die Absicht der neuen Verwaltungsvorschrift gewesen. Bislang aber hatte sich das Ministerium bei Nachfragen stets auf eine schriftliche Presserklärung zurückgezogen. Darin ist von Zweifeln die Rede, „ob bei Muslimen generell davon auszugehen sei, dass ihr Bekenntnis bei der Einbürgerung auch ihrer tatsächlichen inneren Einstellung entspreche.“ Diese Zweifel auszuräumen sei das Ziel eines Gesprächs, das die Einbürgerungsbehörden „mit Einbürgerungsbewerbern aus den 57 islamischen Staaten, die der Islamischen Konferenz angehören“, anhand eines Gesprächsleitfadens künftig führen sollen. „Mit sonstigen Einbürgerungsbewerbern werde ein solches Gespräch ebenfalls geführt, wenn bekannt sei, dass sie islamischen Glaubens seien oder bei denen im Einzelfall Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihres Bekenntnisses bestünden.“ Diese Formulierungen deuten eindeutig auf eine andere Interpretation hin, als das Innenministerium nun nahe legt. Zudem, das räumt selbst das Ministerium ein, ist der Fragenkatalog speziell für Muslime konzipiert worden.

Bei der FDP scheint Rechs heutige Position so früher nicht angekommen zu sein. Immerhin sah sich FDP-Justizminister Ulrich Goll gezwungen, seinen Kabinettskollegen zu Änderungen aufzufordern: Die Fragen, verlangte Goll, dürften nicht nur für Muslime gelten.

Auch die Einbürgerungsbehörden haben die neue Vorschrift offensichtlich anders verstanden. In Ulm beispielsweise, das den Gesprächsleitfaden des Innenministeriums bereits seit Dezember einsetzt, müssen sich alle Einbürgerungsbewerber aus islamischen Ländern dem Gesinnungstest unterziehen. Das bestätigte der zuständige Amtsleiter Roland Oed gestern der taz. Konfrontiert mit den neuen Fragen werde jeder Antragsteller, der aus einem islamisch geprägten Land stammt, sagte Oed. Erst im Gespräch komme der Sachbearbeiter auf die Religion zu sprechen. Wenn es sich um einen Christen handele, erübrige sich meist der Rest des Fragebogens. „Bei denen, die sich zum Islam bekennen, wird dann sehr genau nachgefragt.“