Kleinbürgers Volksstimme

Der Satiriker, Lyriker und Essayist Robert Gernhardt ist Gastprofessor an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. Die Antrittsvorlesung war überlaufen – blieb aber leider auf Otto-Niveau stecken

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

„Die größten Kritiker der Wichte sitzen selbst hinter der Fichte“

Nein. Dieser humorige Zweizeiler stammt nicht von Robert Gernhardt. Und auch nicht von F.W. Bernstein, hinter dem sich wiederum Fritz Weigle, emeritierter Professor für Karikatur und Bildgeschichte, verbirgt. Bernstein habe seinen berühmten Aphorismus von den Kritikern der Elche, die schließlich selber welche gewesen seien, auf einer Autofahrt „in einem altersschwachen VW Käfer 1966 auf der Fahrt von Paris nach Frankfurt“ geprägt, erzählt Gernhardt: Der 69-Jährige ist in diesem Semester Gastprofessor an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. Am Mittwochabend hielt der Lyriker, Essayist, Schriftsteller seine Antrittsvorlesung. Titel: „Von nichts kommt nichts.“

„Mitdenken“ sollten seine Hörerinnen und Hörer deshalb, fordert Gernhardt gegen Ende seiner Vorlesung, „spätestens jetzt“. Mitdichten auch: Die besten Gedichte der Studierenden könnten zusammen mit Texten des Titanic-Autors erscheinen, „wenn denn genug zusammenkommt“, erinnert der Gastprofessor an den Titel seiner Vorlesung.

Bis dahin darf lachen, wer‘s lustig findet. Auf Bernstein kontert Gernhardt wie ‘66 im Käfer – mit den Molchen, die ebensolche sein sollen. Billig aber ist das nicht, findet der Mitbegründer der ironisch gemeinten „Neuen Frankfurter Schule“ zumindest selbst. „Sagen Sie mal nen Satz mit pervers: Meine Gedichte sind echt teuer, per Vers bekomm ich tausend Eier.“ Die knapp 700 Studierenden, Professoren und Gasthörer im bis auf die Treppen besetzten Konrad-Henkel-Hörsaal der Heine-Universität nehmen es – nach anfänglichem Zögern, nach Temperament – lachend, lächelnd, weise den Kopf wiegend. Gegangen sind nur Wenige.

Das lag auch an Gernhardts Didaktik. Die Poesie sei ein Haus, warb der Satiriker für sein Verständnis von Lyrik. Schon die Krabbelstube werde beherrscht von Stabreimen und Endreimen, doppelten sogar. „Ma-ma“, sagt Gernhardt. „Pa-pa.“ Und: „Ka-ka.“ Heiterkeit im Hörsaal – Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Es folgen Kinder- und Klassenzimmer, schließlich der „Clubraum mit den Klassikern“: Schiller, Goethe schreibt an Eckermann. Dennoch bleibt die Poesie für Gernhardt oft „kleinbürgerlich“ – schließlich will der 1937 im estnischen Tallinn Geborene, dass „das Volk auf seine Dichter hört“. Nur leise schiebt er hinterher: „Wenn es sie überhaupt kennt.“ Abgehoben wirkt der Heine-Gastprofessor nicht, eher trotz aller Witzigkeit plötzlich ernüchtert, vielleicht sogar etwas melancholisch, leicht resigniert.

Doch dann schnell wieder beinahe organisiert wirkender Frohsinn. Nicht umsonst war Gernhardt in den Achtzigern Co-Autor der Filme, Shows und Bücher von Otto Waalkes – zusammen mit seinen alten Frankfurter Kollegen Peter Knorr und Bernd Eilert, mit denen er Anfang der Sechziger den Titanic-Vorgänger Pardon gegründet hatte. Ohne Gernhardt wurde Waalkes noch schlechter – eine Vorlesung auf frühem Otto-Niveau also. „Sagen Sie mal nen Satz mit Bochum und Köln“, fordert der Gastprofessor und antwortet selbst: „Ein Hund boch um die Ecke, um zu pinköln.“

Wer davon mehr braucht, „der wird geholfen“ (frei nach Verona Pooth): Gernhardt kommt noch zu weiteren vier Terminen an die Düsseldorfer Uni. Titel der nächsten Vorlesung: „Die mit dem Hammer dichten.“

Robert Gernhardt, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Gebäude 23.01.18. und 25. Januar, 1. und 8. Februar