Lernen im WC-Modell

Hamburgs Gymnasien sind in Mathematik besser als Gesamtschulen und Aufbaugymnasien. Das belegt die Lernausgangsuntersuchung für Klasse 13

„Wenn ein Fach nebenher läuft, strengen Schüler sich nicht an“

von KAIJA KUTTER

In Hamburg ist die bundesweit einmalige Lernausgangsuntersuchung (LAU) zu Ende gegangen. Alle zwei Jahre wurden für den 1996 in die 5. Klasse eingeschulten Jahrgang die Lernzuwächse in Mathematik und Englisch überprüft. Gestern nun stellte der Berliner Bildungsforscher Rainer Lehmann die Ergebnisse der im Frühjahr an den Schülern der 13. Klasse vorgenommenen letzten Tests vor.

Das Ergebnis überrascht nicht. Die 67 Gymnasien haben in Mathematik mit einem Mittelwert von 152,5 Punkten das beste Ergebnis. Fast gleichauf liegen mit 152,2 Punkten die beiden Technischen Gymnasien. Die Abiturienten der 19 Gesamtschulen haben dagegen mit einem Mittelwert von 143,7 ein schlechteres Ergebnis als die Gymnasiasten zwei Jahre zuvor in Klasse 11 (146,5 Punkte). Noch dahinter liegen die Werte der acht Aufbaugymnasien, auf denen Realschüler ihr Abi machen können, mit 140,3 Punkten, und die neun Wirtschaftsgymnasien mit 138,6 Punkten.

Aussagen, wie diese Werte einzuordnen sind, wird es aber erst im April geben. Inakzeptabel ist gewiss, dass es bis auf die Gymnasien an fast allen Schulen einen „nennenswerten Anteil“ an Schülern gibt, die am Ende der Oberstufe von Aufgaben der Mittelstufe überfordert sind.

Gelernt wurde in den zwei Jahren an den Schulen gleichwohl, denn Gymnasien und Gesamtschulen legten immerhin um sechs Punkte zu, in den Leistungskursen sogar um rund 15 Punkte. Die Abstände bestanden eben nur schon in Klasse 11. Für Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) ein Indiz dafür, dass der Unterricht in der Mittelstufe verbessert werden müsse.

Prof. Lehmann indes verwies darauf, dass es sich bei den Gymnasiasten um eine „positiv ausgelesene“ Schülerschaft handele. Es sei „unzulässig“, so der Forscher, von den Ergebnissen der Gymnasien auf eine „adäquate pädagogische Praxis zu schließen“. Auch hätten die übrigen Schulen eine andere Schülerzusammensetzung, die Aufbaugymnasien zum Beispiel einen Migrantenanteil von 55 Prozent.

Lehmann und Dinges-Dierig waren sich einig, dass eine Ursache für das eher schlechte Abschneiden der alte Stil des Matheunterrichts sei. „Sture, mechanische Wiederholung“ führe nicht zu Kompetenzzuwachs, sagte die Senatorin. Und Lehmann sprach vom „WC-Modell“, bei dem man nur für die Prüfung lerne, „und in der Uni ist nichts mehr da“.

Doch glaubt man der Senatorin, so ist ein Teil des Problems schon gelöst. So förderten die 2004 eingeführten neuen Bildungspläne stärker den Erwerb von Kompetenz. Zudem werden seit 2005 zentrale Prüfungen nach Klasse 10 durchgeführt, deren Standards dazu führten, dass die Lehrer wüssten, was gefordert wird. Da aber die Unis „zunehmend“ über schlechte Mathekenntnisse klagten, soll dieses Fach künftig für alle Abiturprüfungsfach werden. Dinges-Dierig: „Wenn ein Fach nebenher läuft, führt dies nicht dazu, dass Schüler sich anstrengen.“

Die GAL-Schulpolitikerin Christa Goetsch verlangte angesichts der LAU13-Ergebnisse eine „radikale Veränderung des Unterrichts“. Statt auf zentrale Prüfungen und Pflichtfächer zu setzen, müsse jeder Schüler bestmöglich gefördert werden. Die Schüler seien nicht „lernunwillig“, wie die Senatorin suggeriere, sondern wollten etwas lernen. Darin hindere sie nicht zuletzt „eine schlechte Schulpolitik“.