: „Bitte bewahren Sie Ruhe“
Mit dem überraschenden Vorschlag, ProSieben zum Verkauf anzubieten, stößt Springer auf Wohlwollen bei KEK und Kartellamt – aber auf Entsetzen beim Sender selbst
Von Hannah Pilarczyk
Selten verdiente eine Ad-hoc-Meldung ihren Namen so wie in diesem Fall: Um 18.25 Uhr am Mittwochabend gab die Axel Springer AG in einer Mitteilung an die Aktionäre bekannt, dass sie dem Kartellamt den Verkauf des Senders ProSieben anbiete, um zunächst die gesamte Fernsehgruppe ProSiebenSat.1 übernehmen zu können. Eben solch eine Zerschlagung hatten die Medienwächter von der KEK und dem Bundeskartellamt bislang vergeblich von Springer gefordert, um die Fusion genehmigen zu können. Die KEK hatte daraufhin am Dienstag den Deal abgelehnt und auch beim Kartellamt standen alle Zeichen auf Ablehnung – bis sich Springer kurz vor Ablauf der Eingabefrist bei den Kartellhütern dann doch den entscheidenden Schubs gab.
Mit diesem waghalsigen Manöver hat das Verlagshaus auch den Vorstand von ProSiebenSat.1 überrascht: Man sei an den Besprechungen mit dem Kartellamt nicht beteiligt gewesen und überhaupt lägen „bisher keine näheren Informationen vor“, hieß es betont nüchtern aus München. „Ohne einen Vorstandsbeschluss geht das gar nicht, und das kann der Vorstand nicht unterstützen“, zitiert hingegen die Financial Times Deutschland aus Konzernkreisen. Bislang galt der Vorstand als Befürworter des Verkaufs.
Mögliche Bedenken der Geschäftsführung sind mehr als angebracht. Wirtschaftlich macht die Herauslösung von ProSieben nämlich überhaupt keinen Sinn. Nachdem Sat.1 im Jahr 2000 mühsam in die ProSieben-Gruppe integriert wurde, haben die Sender eine fast symbiotische Struktur herausgebildet. Außer der Programmplanung werden mittlerweile alle wichtigen Aufgaben wie die Werbezeitvermarktung oder der Lizenzeinkauf von zentralen Stellen übernommen. Eine Zerschlagung dieser Strukturen wäre sowohl höchst aufwändig als auch kostspielig. Und Geld hätte der neu entstehende Konzern wohl kaum übrig – trotz Formschwäche erwirtschaftet ProSieben immer noch die Hälfte aller Gewinne (siehe Kasten).
„Bitte bewahren Sie Ruhe“, bat ProSiebenSat.1-Geschäftsführer Guillaume de Posch seine Mitarbeiter am Donnerstag in einem Rundbrief – noch sei nichts entschieden. Sollte aber Springer bei seinem Vorhaben bleiben und der Vorstand sich auf ein Nein einigen, wäre der unternehmenspolitische GAU perfekt. Mit einem Veto würde sich die Konzernführung nämlich gegen den Willen des Großaktionärs Haim Saban stellen, der die Sendergruppe auf jeden Fall verkaufen will – am liebsten natürlich zu dem hervorragenden Preis von rund drei Milliarden, den Springer zu zahlen bereit ist.
„Der Vorstand sitzt zwischen allen Stühlen“, sagt Daniela Bergholt von der Deutschen Vereinigung für Wertpapierbesitz. „Sowohl ein Ja als auch ein Nein zum Verkauf könnten dem Unternehmen schaden.“ Bergholt kritisiert die Preisgabe von ProSieben scharf: „Mit dem Sender wird Monopoly gespielt. Wirtschaftlich gesehen ist das eine Katastrophe.“
Wie neu die Konfliktlinien im Streit um Springers Fernseheinstieg verlaufen, zeigt sich auch im Falle der KEK. Die zeigt sich nämlich bereit, der Übernahme doch noch zu zuzustimmen, sollte Springer einen überarbeiteten Antrag inklusive ProSieben-Verkauf anbieten. „Die KEK hat von Anfang an gesagt, wenn man auf den Erwerb eines reichweitenstarken Senders verzichtet, dann wäre das Geschäft genehmigungsfähig“, sagte KEK-Geschäftsstellenleiter Bernd Malzanini gestern. Am heutigen Freitag wollen die Direktoren der Landesmedienanstalten über die Fusion beraten. Mit einer Dreiviertelmehrheit könnten sie das Veto der KEK noch kippen.
Und auch das Kartellamt hat seine Zustimmung in Aussicht gestellt – allerdings nur, wenn Springer bestimmte Bedingungen erfüllt. Die wichtigste: Der Verkauf muss vor dem Zusammenschluss von Verlag und Sendern vollzogen werden. Genau dazu ist Springer aber auch weiterhin nicht bereit, denn in diesem Fall würden mehrere Millionen Euro an Steuern auf den Verkaufsgewinn fällig. Vielleicht scheitert also doch wieder alles am Kartellamt.