: Immer schön authentisch bleiben!
UNSER STAR FÜR OSLO Stefan Raab castet den Eurovision-Song-Contest-Teilnehmer – und es geht sogar um Musik
VON MICHAEL BRAKE
Authentizität. Das war allen extrem wichtig beim Auftakt von „Unser Star für Oslo“, dem Vorentscheid für den Eurovision Song Contest (ESC). Erstmals wurde für die Suche nach dem deutschen Vertreter ein Casting-Format gewählt – und mit aller Kraft versucht, sich von konfektionierter Popeinheitsware à la DSDS abzugrenzen. „Wir wollen die Künstler ernst nehmen. Sie sollen singen, was sie wollen. Peter Maffay singt auch keinen Swing“, sagte Mastermind und Juryvorsitzender Stefan Raab vorab, und auch am Dienstagabend wurden die Kandidaten reihenweise für ihre Unabhängigkeit gelobt. Gut gesungen hatten sie sowieso.
Offiziell ist „Unser Star für Oslo“ (USfO) eine Kooperation mit der ARD, die nach jahrelanger Erfolg- und Kreativlosigkeit beim ESC mit Raab den Mann holte, der als Sänger und Komponist (für Max Mutzke und Guildo Horn) dreimal in der Top Ten des Europa-Finals landete. Rund 4.500 Menschen meldeten sich zum Casting, 20 Kandidaten kamen durch, die bis zum Finale am 12. März nun ausgesiebt werden: immer dienstags auf Pro7, im März ergänzt durch Freitagabendshows im Ersten.
Obwohl, „Kooperation“ – da ist nicht viel ARD in „Unser Star für Oslo“. Es ist bloß ein weiterer Teil der großen Raab-Show: die Raab-Band macht die Musik, der Raab-Sprecher vertont die Einspieler, Raab-Buddy Matthias Opdenhövel moderiert (mit der vom ARD-Radiosender 1Live gestellten Sabine Heinrich) und die Erkennungsmusik von USfO hatte Raab gleich selbst komponiert.
„Wir sind die Trümmerfrauen des ESC“, hatte Raab bei der USfO-Pressekonferenz gesagt. Es ist ihm ein Anliegen, den ESC-Vorentscheid wieder zu einer ernstzunehmenden und unterhaltsamen Musikveranstaltung zu formen. Hierfür will Raab aber nicht „den Eurovision-Hitbaukasten“ nutzen oder osteuropäische Musikkultur kopieren. Der erste Platz beim Finale in Oslo sei ihm nicht so wichtig. Vielmehr solle auch ein „unkonformer Künstler“ gewinnen können.
Die erste Show konnte dieses Versprechen einlösen. Das Prinzip war dabei nicht neu: Erfreulich straff und beinahe ohne pseudodramatische Verzögerungen wurde immer wieder die Reihenfolge „Kandidat, Einspieler, Song, händchenhaltende Moderatoren, Jury, Platz nehmen“ durchgespielt. Am Ende folgte die Telefonabstimmung mit angekoppeltem Gewinnspiel.
Aber! Die Ausführung! Behutsam statt denunzierend ging die Jury vor, in der neben Raab Yvonne Catterfeld und ein entrückt-lässiger Westernhagen saßen – die Beisitzer wechseln in jeder Sendung, unter anderem werden Peter Maffay, Jan Delay und Sarah Connor auftreten. Es wurde wirklich über Musik gesprochen: von Intonationsproblemen und einem gut kontrollierten Vibrato war die Rede, von leisen und lauten Tönen, die Fachtermini Timbre und Falsett wurden erklärt. Verständlich blieb es trotzdem: „Tolle Stimme, toll bewegt“, „You rock!“, „für so einen Sound müssen andere lange saufen“.
Auch die Kandidaten kontrastierten die DSDS-Freakshow. Es waren Lehrer, Mediengestalter, Berufsmusiker dabei – ein klarer Kontrast zu Bohlens verhuscht-schrillen Teenies mit Gelfrisur und Modeschal. In die Favoritenrolle sang sich die 18-jährige Schülerin Lena, die als Nora-Tschirner-Lookalike Jury und Publikum verzauberte, mit frecher Ausstrahlung, Emotionen („Ich freu mich so, so hart!“) und, na klar, astreiner Authentizität.
Und um zu zeigen, wie gut die Raab-Maschine funktioniert, wurde anschließend nahtlos zu „TV Total“ übergeleitet. Raab und Band wechselten vor laufender Kamera das Studio und begrüßten als Gäste: Catterfeld, Westernhagen und die fünf Castingsieger. Dass hier dann doch Outtakes von weniger begabten Bewerbern des Vorab-Castings gezeigt wurden, war allerdings unnötig, wollte man sich doch genau von solchen Bloßstellungen abgrenzen. Es blieb der einzige Schwachpunkt eines runden Unterhaltungsabends.