: Konsequent zweideutig
Von Awacs-Flugzeugen bis Fuchs-Spürpanzern: Eine Erinnerung an die deutsche Verwicklung in den Krieg gegen Irak
VON CHRISTIAN RATH
War Schröders Nein zum Irakkrieg wegen der BND-Verwicklungen doch kein echtes Nein? War die Antikriegshaltung von Rot-Grün womöglich nur eine dreiste Lüge? So wird nun in vielen Medien kommentiert. Doch die moralische Empörung überrascht. Schließlich hatte die rot-grüne Bundesregierung schon vor und während der US-Angriffe auf den Irak eine äußerst zweideutige Haltung bezogen, und das war damals auch allgemein bekannt. Politisch wurde der Krieg abgelehnt, praktisch erhielten die Amerikaner jede Menge Unterstützung. Neu wäre nur, wenn die in Bagdad verbliebenen BND-Agenten der US-Luftwaffe tatsächlich bei der Identifizierung von Bombenzielen geholfen hätten – was aber von der Bundesregierung bisher massiv bestritten wird.
„Druck auf Saddam Hussein: Ja. Aber Spielereien mit Krieg und militärischer Intervention – das ist mit uns nicht zu machen.“ Mit diesem Satz, gesprochen am 5. August 2002 bei der SPD-Veranstaltung zum Bundestagswahlkampf in Goslar, eröffnete Kanzler Gerhard Schröder ein neues, das vermutlich entscheidende Wahlkampfthema: Schröder, der Friedenskanzler, der sich nicht an den „Abenteuern“ der Amerikaner beteiligt. „Unter meiner Führung wird sich Deutschland an keiner militärischen Aktion gegen den Irak beteiligen“, wurde Schröder am 14. September, also kurz vor der Wahl, noch deutlicher. Rot-Grün wurde knapp in der Regierung bestätigt
Nach der Wahl hielt Bundeskanzler Schröder zwar Kurs – aber mit einer kleinen Akzentverschiebung. Nun hieß es nur noch, eine „aktive Beteiligung“ Deutschlands an einer Militärintervention im Irak werde es nicht geben. Passive Unterstützung, so der Umkehrschluss, sei also durchaus möglich.
Tatsächlich erklärte der Kanzler auf dem Prager Nato-Gipfel im November 2002, dass die USA ihre Basen in Deutschland für Kriegszwecke nutzen können. Deutschland werde auch keine Überflugrechte verweigern. „Wir haben nicht vor, die Bewegungsmöglichkeiten unserer Freunde einzuschränken“, sagte Schröder der deutschen Öffentlichkeit ganz offen. Begründet wurde dies mit deutschen Verpflichtungen aus dem Nato-Vertrag und den Stationierungsverträgen. „Mit oder ohne UNO-Mandat haben die USA ein Recht, hier zu fliegen und ihre Basen in Deutschland zu nutzen“, sagte damals etwa Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD.
Spannend wurde die Debatte, als im Januar 2003 – zwei Monate vor Kriegsbeginn – ein Gutachten bekannt wurde, das der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags erstellt hatte. Bei einem Präventivkrieg der USA dürften deutsche Basen und deutscher Luftraum nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Bundesregierung benutzt werden, hieß es dort. Von da an zog sich die Bundesregierung auf die Haltung zurück, man habe eine „politische Entscheidung“ getroffen und werde sich an juristischen Diskussionen nicht beteiligen.
Auch bei Kriegsbeginn am 20. März 2003 bekräftigte Vizeregierungssprecher Thomas Steg: „Die Bundesregierung hat sich entschieden und hat Folgendes deutlich gemacht. Sie erfüllt die Bündnisverpflichtungen. Sie gewährt die Überflugrechte. Sie gewährt die Nutzung der Basen. Sie räumt Bewegungsfreiheit ein.“ Nach einer Infratest-Umfrage bejahten damals 54 Prozent der Deutschen die Gewährung der Überflugrechte, nur 39 Prozent lehnten sie ab – obwohl zugleich eine deutliche Mehrheit den Irakkrieg für falsch hielt.
Weitere Unterstützung erhielten die Amerikaner bei der Bewachung ihrer Kasernen in Deutschland. Weil die USA wegen ihrer Kriegsvorbereitungen in der Golfregion nicht mehr genügend Wachpersonal zur Verfügung hatten, baten sie die Bundeswehr um Hilfe, die auch prompt gewährt wurde. Von Ende Januar 2003 an standen rund 2.500 Bundeswehrler vor etwa 60 US-Militäreinrichtungen, um diese vor Anschlägen zu sichern. Auch das war damals öffentlich bekannt.
Doch selbst in unmittelbarer Nähe des Kriegsschauplatzes fanden sich damals deutsche Soldaten. In Kuwait waren bis zu 200 deutsche Soldaten mit dem Spürpanzer Fuchs stationiert. Beim Einschlag irakischer Raketen fuhren sie mit ihrem Laborpanzer zum Krater und untersuchten, ob dabei chemische Waffen eingesetzt wurden. Deklariert wurde das Ganze als humanitäre Aktion im Rahmen der Terrorbekämpfung. Einsätze auf irakischem Boden hatte die Bundeswehr ausdrücklich ausgeschlossen.
Deutsche Soldaten wurden schließlich auch bei der Awacs-Luftaufklärung über der Türkei eingesetzt. 38 Soldaten und neun zivile Mitarbeiter wurden gemeinsam mit vier Awacs-Maschinen Ende Februar 2003 in die Türkei verlegt. Die Deutschen stellten in diesen Nato-eigenen Flugzeugen ein Drittel der Besatzungen. Den Einsatz hatte die Türkei beantragt. Der Nato-Rat genehmigte ihn Mitte Februar aber nur zu „rein defensiven“ Zwecken, nachdem Deutschland, Frankreich und Belgien mit einem Veto gedroht hatten.
Deutsche Awacs-Besatzungen werden sich nicht am Angriff auf den Irak beteiligen, stellte Außenminister Fischer klar. Die Klarstellung war notwendig, denn immer wieder gab es Gerüchte, die Awacs-Flugzeuge könnten den Amerikanern als Feuerleitstelle im Irak dienen oder einen möglichen Einmarsch der Türkei in den kurdischen Nordirak unterstützen.
Insofern ist also vor allem die damalige Diskussion um die Awacs-Besatzungen hilfreich. Aus offizieller Regierungssicht wurde der Awacs-Einsatz bejaht, solange es um defensive Beobachtung ging. An einer offensiven Zielerfassung im Irak sollten sich die deutschen Soldaten nicht beteiligen. Deshalb wäre eine Mitarbeit von BND-Agenten bei der positiven Auswahl von US-Bombenzielen im Irak tatsächlich ein Bruch der offiziell verlauteten Regierungspolitik. Und genau deshalb wird sie so heftig dementiert.