Persönlichkeitsrecht gilt auch für Google

SUCHMASCHINE Bundesgerichtshof urteilt: Google muss bei der automatischen Vervollständigung von Suchbegriffen die Persönlichkeits-rechte Betroffener achten

Das Gericht stellte klar, dass Google für etwaige Verletzungen des Persönlichkeitsrechts haftbar ist

VON CHRISTIAN RATH

FREIBURG taz | Empfindliche Niederlage für den Internetkonzern Google. Das Unternehmen muss künftig für die Autocomplete-Funktion Verantwortung übernehmen. Betroffene können von Google verlangen, dass keine Begriffspaare vorgeschlagen werden, die ihr Persönlichkeitsrecht verletzen. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil. (Az.: VI ZR 269/12)

Geklagt hatte ein Unternehmer, der sich massiv über die Autocomplete-Funktion von Google geärgert hatte. Immer wenn der Name seines Unternehmens in die Google-Suchmaske eingegeben wurde, schlug Google als mögliche Ergänzung der Suche die Begriffe „Scientology“ und „Betrug“ vor. Der Mann machte geltend, dass sein Unternehmen, das Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt, in keinem Zusammenhang zu der umstrittenen Sekte steht und dass ihm auch kein Betrug vorzuwerfen sei. Es gebe auch kein derartiges Ermittlungsverfahren.

Als Google auf die Proteste nicht reagierte, klagten er und das Unternehmen auf Unterlassung und Schadenersatz. Doch zunächst hatte er keinen Erfolg. Sowohl das Landgericht Köln als auch das Oberlandesgericht Köln lehnten die Ansprüche ab. Die vorgeschlagenen Ergänzungssuchbegriffe hätten nicht den Aussageinhalt, dass der Kläger Mitglied oder Anhänger von Scientology sei, und auch nicht, dass der Kläger einen Betrug begangen habe oder begehe.

Nun kann sich Google nicht mehr darauf berufen, es habe mit den vorgeschlagenen Wortkombinationen nichts zu tun, weil es sich nur um vom Computer zusammengestellte häufig vorkommende Suchanfragen handele. Der BGH stellte vielmehr klar, dass Google für etwaige Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durchaus haftbar ist. Schließlich sei es ein Computerprogramm von Google, das die Nutzerfragen auswertet und darauf basierend den Nutzern Vorschläge macht.

Zudem komme den umstrittenen Wortkombinationen ein Aussagegehalt zu. Es werde nahegelegt, dass es zwischen dem Unternehmer und Scientology einen „sachlichen Zusammenhang“ gebe, ebenso zwischen dem Unternehmer und der Straftat des Betrugs. Wenn dies unwahr ist, wäre es eine Persönlichkeitsverletzung, so der BGH.

Ob das Unternehmen nun aber einen Unterlassungsanspruch hat und Schadenersatz bekommt, entschied das Gericht nicht. Es verwies den Fall zunächst an das OLG Köln zurück. Dort muss jetzt entschieden werden, ob es tatsächlich keinen Zusammenhang mit Scientology und Betrugsvorwürfen gibt. Dass es im Netz möglicherweise entsprechende Vorwürfe gibt, dürfte Google wahrscheinlich noch nicht entlasten, wenn diese Vorwürfe nicht belastbar sind.

Google muss aber nicht von sich aus verhindern, dass die Autocomplete-Funktion Wortkombinationen vorschlägt, die die Rechte Betroffener verletzen. Vielmehr muss Google nur reagieren, wenn sich Betroffene beschweren. Google muss dann den Sachverhalt prüfen und, wenn ein falscher und ehrverletzender Zusammenhang vorliegt, verhindern, dass die Autocomplete-Funktion weiterhin derartige Vorschläge macht.

Über das Urteil kann sich auch Bettina Wulff, die Noch-Ehefrau von Exbundespräsident Christian Wulff, freuen. In einem Verfahren beim Landgericht Hamburg klagt sie derzeit gegen Google, weil die Autocomplete-Funktion von Google im Zusammenhang mit ihrem Namen Begriffe wie „Rotlicht“ und „Prostituierte“ vorschlug und teilweise noch immer vorschlägt. Der Hamburger Prozess wurde auf Wulffs Wunsch ausgesetzt, um die BGH-Entscheidung abzuwarten. Wulfss Anwalt Gernot Lehr begrüßte jetzt die Karlsruher Entscheidung.

Der Rechtsstreit betraf nur die Autocomplete-Funktion. Es ging nicht um das Recht von Google, umstrittene Texte im Netz überhaupt in die Liste der Suchergebnisse aufzunehmen. Hierüber hatte im Februar der Europäische Gerichtshof verhandelt. Ein Spanier hatte sich bei Google beschwert, dass die Suchmaschine heute immer noch eine Notiz über die Zwangsversteigerung seines Hauses vor 15 Jahren aufliste. Es müsse ein „Recht auf Vergessen“ geben, forderte er. Ein Urteil steht noch aus.